Das Oldenburger Wunderhorn

Reflexionen 5

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Heidenwall-Gestaltung Heidenwall-Geschichte Echo zum Heidenwall



Reste des Heidenwalls am Osthafen gefährdet

EinführungInformation der Stadt OldenburgInformation der Bezirksarchäologie –  Lageplan Öffentlichkeitsinfo per RundschreibenLandschaftskarteVorgeschichte der Ausgrabung – Luftbildaufnahmen Sommer und Herbst 2005 – Bedeutung für OldenburgIdeen zur DenkmalpflegeErhalt des Heidenwalls

Im Zuge der Geländeaufspülung am Oldenburger Osthafen für den IKEA-Neubau sind weitere Erdbauarbeiten bis zum Hemmelsbäker Kanal geplant, die das wiederentdeckte originale Flurstück des abgetragenen "Heidenwalles" beschädigen oder unter einer Sandaufspülung begraben würden.

Mancher fachliche Fund, den man als Historiker beim Spaziergang durch Schriftquellen und Natur macht, wird einem – nach anfänglicher Entdeckerfreude – selbst etwas lästig. Manchmal muss man sich damit nämlich intensiver beschäftigen, als einem aus organisatorischen Gründen lieb ist. Oder man engagiert sich für dessen Schutz, ohne des Erfolges und der Wertschätzung dafür überhaupt sicher sein zu können. So auch im Zusammenhang mit der IKEA-Ansiedlung, in deren Umfeld ein historischer Aspekt zutage trat, der bis jetzt weitgehend unbekannt war (und den der Verfasser gerne noch ein wenig ruhen gelassen hätte, wenn nicht die geplanten Geländeveränderungen in Nachbarschaft der IKEA-Baustelle zur Veröffentlichung drängten).

Wie der Überschrift zu entnehmen ist, handelt es sich um ein erhaltenswertes Relikt aus Oldenburgs ältester Siedlungslandschaft. "Welche Reste des Heidenwalls"?, wird sich sicher so mancher spontan gefragt haben. Tatsächlich ist nicht mehr viel davon zu erkennen, aber sein Ort ist entgegen landläufiger Meinung noch vorhanden. Lesen Sie dazu Punkt 3. des folgenden Schreibens vom 12.1.2007, das an Herrn Robert Sprenger gerichtet war, den Leiter des städtischen Fachdienstes Naturschutz und technischer Umweltschutz in Oldenburg, nachdem dieser auf eine erste Information des Verfassers geantwortet hatte: "[...] Das [IKEA-]Areal wird in den nächsten Monaten aufgespült. Wann und ob die übrigen Flächen zwischen Hemmelsbäker Kanal, Hunte, Werrastraße und Holler Landstraße aufgehöht werden, kann [ich] Ihnen zuzeit leider nicht mitteilen. Sicher ist, dass dies dann geschehen wird, wenn es Interessenten für die entsprechenden (Gewerbe)Grundstücke gibt. [...]"

Der kürzeste Weg zum historischen Platz des sogenannten Heidenwalls: von der Holler Landstraße den Deich am Hemmelsbäker Kanal entlang nach Norden, hinten jenseits des Kanals unter den hohen Bäumen die Huntehalbinsel mit dem Wasser- und Schiffahrtsamt. Der Heidenwall bzw. seine Grundfläche liegt zwischen Deich und Gebüschgruppe rechts der Deichkurve in der hinteren Bildmitte. Foto: Martin Teller, 30.10.2005 (FA-XXVIII2).

Kulturschutz am Osthafen; in Antwort auf Ihre Mail vom 10.1.2007

Es freut mich, dass Ihnen der Aufsatz Deiche um IKEA gefällt. Die Homepage wird in unregelmäßigen Abständen um weitere Beiträge und Informationsmittel zur Geschichte nicht nur der Stadt Oldenburg sondern des ganzen Oldenburger Landes ergänzt. Mein fachlicher Arbeitsschwerpunkt Siedlungs- und Landschaftsgeschichte bringt besondere Aufmerksamkeit gegenüber modernen Gelände- und Gebäudeveränderungen mit sich. Dadurch kann ich wie bei der Schloßplatz-Diskussion in Gegensatz zu offiziellen städtischen Positionen kommen, was mich wegen rein wissenschaftlicher Intention stört, da es im Sinne des Kulturschutzes viel zweckmäßiger wäre, wenn Politiker, Verwaltungskräfte und Fachleute historischer Berufsfelder sowie Naturschützer an einem Strang ziehen würden.

1. Mir ist bekannt, dass das betreffende Gelände als Gewerbegebiet ausgewiesen ist, und ich gehöre zur sicherlich großen Mehrheit der Oldenburger, welche die IKEA-Ansiedlung persönlich begrüßen. Hinsichtlich des Landschaftsverbrauchs schrieb ich schon Herrn Krogmann, dass ich trotz fachlicher Sichtweise in dieser Sache Kompromisse für unvermeidbar halte. Kompromisse kann man aber nicht alleine eingehen. Daher möchte ich die zuständigen städtischen Stellen bitten, so schonend wie möglich mit dem Graben zum Kleinenfelder Siel umzugehen. Immerhin handelt es sich streckenweise um den Rest eines alten Huntearmes und damit um ein historisch relevantes Relikt der Naturlandschaft. Das wäre gewiß auch ganz im Sinne der Umweltverbände.

2. Meine entsprechenden Namensvorschläge für dortige Planstraßen gehen die Sache von der anderen Seite an: Nicht Erhalt des Bestehenden sondern Erinnerung an Gewesenes. Die Stadt hat sich offiziell zur Maxime gemacht, bei neu zu vergebenden Straßenbezeichnungen zuerst an alte Flurnamen und lokalgeschichtliche Ereignisse zu erinnern, doch in jüngerer Vergangenheit ist diese Art von Kulturschutz oft vernachlässigt worden. Ich appelliere an alle Zuständigen, hier weder allzu gängige willkürliche Flußnamen wie in der Nachbarschaft zu verwenden, noch mit der Benennung eine unangebrachte (und zuweilen kurzlebige) Investorenreklame zu betreiben, etwa im Sinne von "IKEA-Straße". (Den Elchweg gibt es zum Glück in Oldenburg schon.) Wie in meinem Artikel dargestellt, existieren hier mehrere originäre und zum Teil sehr alte Flurnamen, deren wichtigste Wesenbrok und Kleines Feld sind. Zumindest eine Wesenbrok-Straße (analog zu Ellernbrok usw.) sollte bei allen Oldenburgern, die an einem individuell stimmigen Gesamtbild ihrer Stadt interessiert sind, auf Zustimmung stoßen.

3. Noch wichtiger wäre in diesem Gelände der Schutz eines historischen Ortes, über dessen Rolle innerhalb der Siedlungsgeschichte Oldenburgs bzw. der Stadtteilgeschichten von Donnerschwee und Osternburg/Drielake nur wenig bekannt ist: der sogenannte Heidenwall, eine kleine frühgeschichtliche Wallburg am Hunteufer. Das Wissen um seine genaue Lage ist innerhalb der Bevölkerung weitgehend untergegangen. Allgemein bekannt war nur noch, dass die Wälle abgetragen wurden. In jüngerer Zeit hat sich bislang Dr. Heinrich Munderloh (Die Bauerschaft Donnerschwee) am genauesten damit beschäftigt, irrt aber in einigen Lagedetails und geht auch fälschlich vom völligen Verschwinden der Walles und seiner Parzelle aus. Bei der Beschäftigung mit benachbarten Fluren bin ich wieder auf den Heidenwall aufmerksam geworden und konnte anhand mehrerer Quellen seine Lage in der heutigen Landschaft eindeutig identifizieren. Zwar ist der alte Wall tatsächlich bis auf immerhin eine kleine Bodendelle abgetragen (die Heimatautor Emil Pleitner noch kannte), sein Standort selbst ist aber noch weitgehend vorhanden. Nach einem Gespräch mit dem Bezirksarchäologen Dr. Jörg Eckert werde ich außer der historischen und landschaftsgeschichtlichen auch die archäologische Relevanz des Ortes einschätzen können. Auch wenn dort vielleicht keine Bodenfunde mehr zu erwarten sind, wäre es meines Erachtens eine wissenschaftliche und geschichtspflegerische Notwendigkeit, die Stätte in situ zu erhalten – und geradezu eine Schande für die Stadt, wenn man diesen historischen Ort einfach verschütten und mit Gewerbegebäuden überbauen würde.
Da es sich bei dem Platz des Heidenwalls inklusive eines zugehörigen Grabenstücks nur um eine verhältnismäßig kleine Stelle von ca. 50 mal 100 Metern handelt, die zudem glücklicherweise auch noch am Rande des Geländes und ohnehin parallel im Bereich des zu schützenden Deichfußes liegt, sollte ihrer Herausnahme aus der geplanten Gewerbegebietserweiterung nichts im Wege stehen (etwa nach Art des Grünstreifens zwischen Osthafen und Blankenburger Holz). Dies würde den Oldenburger Stadtraum um einen fast vergessenen aber um so interessanteren Geschichtsort reicher machen und eventuellen zukünftigen Forschungsmethoden hier alle Möglichkeiten lassen. Natürlich dürfte der Ort nicht wesentlich umgestaltet werden, die derzeitige Rasenfläche ist der beste Schutz. Einige Sitzbänke und eine geschichtliche Informationstafel ließen sich aber aufstellen. Die Stadt wird ohnehin Ausgleichsflächen für die überbauten Wiesen und Grabenteile durch gliedernde Grünzüge einplanen. Sie könnte sich mit deren Verlauf an den hiesigen Hinweisen orientieren und dadurch den Heidenwall-Platz und wenigstens Teile des Kleinenfelder Grabens schützen, ohne die gewerbliche Nutzung des Geländes zu beeinträchtigen. Ich beabsichtige, die Lokalität bei Gelegenheit in einem Fachaufsatz genauer zu behandeln und wäre vorab bereit, mit städtischen Vertretern eine Ortsbegehung vorzunehmen.

Sich in erster Linie als Sachwalter historischer Belange zu verstehen schließt nicht aus, um Nutzungskonzepte bemüht zu sein, die möglichst vielen gesellschaftlichen Gruppen dienen. In diesem Fall wäre ohne große Mühen und Kosten etwas für Wissenschaft und Stadtkultur getan, und umweltbewußte Bürger und Naturliebhaber, denen es um die weiten Wiesen leid tut, hätten zumindest einen kleinen Ausgleich. Ein großartiger Bauplatz ginge der Wirtschaft dadurch gewiß nicht verloren, und finanzielle Verluste für die Stadt wären ernsthaft nicht zu erwarten.

Bitte informieren Sie alle relevanten städtischen Stellen über meine Stellungnahme. Ich selbst werde Kopien dieses Schreibens an Dritte weitergeben.
 


Mit den "Dritten" habe ich außer an Politik und Bürgervereine vor allem an Fachleute gedacht, denen die historische Bedeutung des Heidenwalls bewußt sein sollte, auch wenn ihnen sein genauer Standort offensichtlich nicht mehr bekannt ist (da sie nicht ihrerseits zum vorsichtigen Umgang mit dem Flurstück mahnen). Am 13. Januar, einen Tag nach dem obigen Schreiben an die Stadt, nahm ich per Brief Kontakt zum Bezirksarchäologen Dr. Eckert auf. Am 29.1., drei Tage vor seiner Pensionierung, konnte ich ihn erstmals telefonisch erreichen. Da seine Nachfolge noch nicht geklärt ist und er kommissarisch im Amt bleibt, will er sich der Sache später widmen, wenn er wieder mehr Zeit hat. Ein früherer Versuch seinerseits, den Heidenwall mit Hilfe der Oldenburger Vogteikarte zu lokalisieren, habe nichts erbracht. – Mit älteren Quellen ist das aber möglich, wie Munderloh bewiesen hat.


Lage des "Heidenwalls" am Oldenburger Osthafen

Lage des ehemaligen Heidenwalls am Oldenburger Osthafen, wie sie der Verfasser im Abgleich mit historischen Karten identifiziert hat. Die kleine Stelle einschließlich des benachbarten Grabens liegt genau in der engen Kurve des Deiches und wäre leicht in einen schützenden Grünstreifen zu integrieren. Für einen vergrößerten Ausschnitt Karte anklicken.

Falls zukünftig auch das Gelände südlich der Holler Landstraße zwischen Hemmelsbäker Kanal und Wald/Hofgrundstück bebaut würde, das derzeit im Zuge der Bauarbeiten zur Ablagerung von Erde genutzt wird, wäre eine dortige Straße ergänzend zu den genannten Vorschlägen passenderweise Drielaker Brok zu taufen (= einstiger Drielaker Sumpfwald, ähnlich den Wäldern um den Hemmelsbäker Kanal; ein Doppel-o im Namen wäre unnötig). Dieser alte Flurname ist immer noch in modernen Karten eingetragen, wie der obige Ausschnitt zeigt.
 

Die historische Stätte des Heidenwalls bei Oldenburg-Drielake, begrenzt vom Deich des Hemmelsbäker Kanals (vorne), vom Deichs am alten Huntearm (links), von einem baum- und gebüschbestandenen Grabenzug (rechts vorne bis zu den zwei kleinen Bäumen in der rechten Bildmitte), und einer Bodendelle in der Wiese (Bildmitte hinten, von den zwei Bäumen bis links hinter die Deichkurve). Blick nach Osten, ganz im Hintergrund die heutige IKEA-Fläche. Foto: Martin Teller, 30.10.2005 (FA-XXVIII7).
 

Kürzlich wurde auch das übrige von IKEA noch nicht betroffene Gelände bis zum Hemmelsbäker Kanal ausgemessen. Dabei wurden einige Vermessungspflöcke sehr nahe an den westlichen Rand des Heidenwall-Platzes geschlagen, im östlichen Randbereich führen einige Markierungen sogar quer hindurch! Es hat den Anschein, als sollte die Stelle wie befürchtet teilweise durch Überbauung zerstört und teilweise durch enge Grenzziehungen zu benachbarten Gewerbegrundstücken in Mitleidenschaft gezogen werden. Mit einer leichten Änderung der offenbar derzeit vorbereiteten Pläne und etwas gutem Willen seitens der Verantwortlichen wäre die Zerstörung des historischen Platzes aber noch problemlos zu verhindern. Auch wenn nur sehr wenig über ihn bekannt ist und auf den ersten Blick nichts mehr zu erkennen ist, gehört der Ort des Heidenwalls doch zweifellos zu den ältesten und geheimnisvollsten Geschichtsstätten der Stadt Oldenburg und sollte als landschaftshistorisches Zeugnis für Gegenwart und Nachwelt erhalten bleiben.
 

Die östliche Grenze des ehemaligen Heidenwalls ist wohl an einer bogenförmigen, wenige Dezimeter hohen Bodenwelle auszumachen, die sich hier vom Graben (rechts) zum Huntedeich (links) mittig durchs Bild zieht. Der Verfasser steht auf dem nur wenige Fuß breiten Ringstück, das sich durch dunkelgrünes üppig wachsendes Wiesengras von dem gelblichem Gras in der Senke davor unterscheidet. Vgl. rechts die Position der beiden kleinen Bäume mit der vorherigen Aufnahme. Foto: Gunter Teller, 30.10.2005 (FF-XI12).
 

Bis jetzt hat der Verfasser städtischerseits keine Reaktion auf obigen Appell zum Kulturschutz erhalten, die städtischen Vermessungen sowie die Ankündigung, die Flächen ganz überspülen zu wollen, sprechen allerdings eine eindeutige Sprache. Angesichts der zahllosen Erfahrungen von fahrlässigem Umgang mit historischen Stätten in Oldenburg ist die Chance, dass rechtzeitig etwas getan (bzw. unterlassen) wird, zweifelsohne nicht sonderlich groß. Eigentlich sollte man sich über die Wiederentdeckung der Wallfläche freuen dürfen. Stattdessen  wird aber wohl nur ein weiterer verlorener Geschichtsort geschaffen, dessen Zerstörung dann noch nach Jahrzehnten betrauert werden muss. Jedenfalls können die Verantwortlichen bei der Stadt, die vom Verfasser mehrfach schriftlich seit dem 2. Januar 2007 informiert wurden, nicht behaupten, sie hätten nichts von alldem wissen können. Sie und alle informierten Bürger haben es in der Hand, hieraus ein weiteres trauriges Kapitel Oldenburger Geschichtsvergessenheit zu machen, oder endlich einmal eine Erfolgs-Geschichte (im wahrsten Sinne des Wortes).

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Nach der Publizierung der obigen Information wurde per nachfolgend wiedergegebenem Rundschreiben vom 15.2.2007 (Mails und Briefe) der Versuch unternommen, den unten angegebenen Personenkreis direkt zu erreichen, der zum Schutz der Heidenwall-Parzelle beitragen könnte (wg. technischer Übertragungsprobleme am 17.2. teilweise wiederholt). Einer der Adressaten hat daraufhin von sich aus zusätzlich die untere Denkmalschutzbehörde informiert. In dem Zusammenhang sei nochmals dargelegt, dass der Heidenwall selbst bis auf wohl den spärlichen Rest eines kleinen Ringstücks ganz abgetragen ist und archäologische Funde nicht unbedingt zu erwarten wären, vielleicht nicht einmal Befunde (Bodenveränderungen). Das eigentliche schützenswerte Denkmal ist das historische Flurstück selbst, das einst den Wall trug und abgesehen von kleinen Abbrüchen am Westrand durch den Bau des Hemmelsbäker Kanals dank des südlichen Grabenzuges auf kleiner Grundfläche die Landschaftsverhältnisse des Früh- bis Hochmittelalters konserviert hat.  Der Wall ist weg, aber sein Ort ist noch da!
 

Reste des Heidenwalls am Osthafen gefährdet

Schon seit längerer Zeit beobachte ich aus fachhistorischem Blickwinkel die Gegend zwischen Donnerschwee und Drielake-Blankenburg und im Zusammenhang mit der IKEA-Ansiedlung besonders das Gelände am Osthafen. Dabei habe ich nach Spuren des einstigen wohl frühmittelalterlichen Heidenwalles gesucht und zu meiner eigenen Überraschung mehr von seinem ursprünglichen Standort entdeckt, als mir bislang aus fachlichen Publikationen bekannt war. Weil ich der Auffassung bin, dass dieser historische Ort auf keinen Fall in einem Gewerbegebiet untergehen sollte, habe ich mich bereits am 2. Januar dieses Jahres gegenüber der Verwaltung der Stadt Oldenburg dafür eingesetzt, das kleine Flurstück vor gravierenden Bodenveränderungen zu schützen. Dies habe ich bis Mitte Januar im Schriftwechsel mit einigen städtischen Bediensteten noch präzisiert, worüber auch der [de facto] amtierende Bezirksarchäologe informiert ist.

Eigentlich sollte die Stadt also die Sachlage kennen, zumal ich mich angeboten hatte, mit städtischen Vertretern eine Ortsbegehung vorzunehmen, was aber ohne Resonanz blieb. Kürzlich eingeschlagene Vermessungspflöcke quer durch das Gelände lassen befürchten, dass die Information möglicherweise doch nicht die relevanten Stellen erreicht hat, obwohl ich um Weitergabe der entsprechenden Hinweise bat. Deshalb möchte ich mit diesem Schreiben nochmals darüber aufklären, wobei zu betonen ist, dass dies wie stets eine rein fachliche und keine parteipolitische Initiative ist, denn der betreffende Geschichtsort gehört allen Bürgern und nicht nur einer einzelnen Gruppe.

Ein Schutz des Heidenwall-Ortes sollte bei ein wenig gutem Willen eigentlich problemlos (und kostenneutral) möglich sein, da das kleine Gelände am äußersten Rand des Osthafen-Erweiterungsgebietes liegt, noch dazu im Bereich des Deichfußes, dessen Zone in einer Kurve besonders breit ist. Man müßte lediglich mit den Grenzen der geplanten Gewerbegrundstücke wenige Meter weiter wegrücken und dieses Flurstück nicht überspülen, darin den angrenzenden landschaftshistorisch dazugehörenden Graben einschließen und (zum Bodenschutz) die daranstehenden niedrigen Gehölze erhalten, einschließlich zweier etwas entfernt befindlicher kleiner Bäume.

Am Ort ist durchaus nichts Spektakuläres zu sehen außer einer kleinen Bodendelle und der überkommenen Flurform des Heidenwall-Grundstücks, und bei einer eventuellen archäologischen Grabung wären wohl auch keine aufsehenerregenden Funde zu erwarten. Dennoch handelt es sich um eine originale Geschichtsstätte, mit denen wir in Oldenburg bislang bekanntlich nicht sehr pfleglich umgegangen sind. Die im stadtoldenburger Rahmen siedlungshistorische Sensation liegt in der Tatsache, dass das historische Flurstück des Heidenwalls entgegen bisheriger Annahme so gut wie vollständig erhalten und auch der Graben noch vorhanden ist, der den Rest eines alten Huntenebenarmes darstellt.

Nähere Informationen zur Örtlichkeit des Heidenwalls inklusive Fotos und einer Karte finden Sie auf meiner fachlichen Homepage www.Stadt-Land-Oldenburg.de unter Historienspiegel/Reflexionen 5 [hier, s.o.]. Beachten Sie bitte in diesem Zusammenhang auch meine offiziellen historisch-landschaftlichen passenden Straßennamensvorschläge Wesenbrok, ggf. noch Im Kleinen Felde, für das Gelände nördlich der Holler Landstraße und Drielaker Brok für die Gegend südlich davon. Die Stadt hat sich zur Maxime gemacht und in einer Satzung festgeschrieben, bei Straßenbenennungen alten Flurnamen Priorität einzuräumen.

Außer den Bezirksarchäologen Dr. Eckert habe ich auch den Oberbürgermeister Prof. Dr. Schwandner, sämtliche Ratsfraktionen der Stadt, mehrere zuständige städtische Ämter, die umliegenden Bürgervereine und die örtliche Presse informiert. Nun kann kein Ratspolitiker, kein städtischer Bediensteter und kein Bürger behaupten, nichts gewußt zu haben oder nicht rechtzeitig informiert worden zu sein. Mehr kann ich als einzelner Bürger in dieser Sache nicht tun. Man kann nur auf Interesse gegenüber der örtlichen Geschichte und grundsätzliche Aufgeschlossenheit für Kulturangelegenheiten hoffen. Demgegenüber sollten einige Quadratmeter Gewerbegrundstück angesichts der großen Erweiterungsflächen doch eigentlich nicht ins Gewicht fallen.
 

 
Martin Teller, 14. und 17.2.2007

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Archäologische Grabung auf dem Heidenwall-Gelände

Vier Monate später hat sich herausgestellt, dass oben geäußerte Ansichten bzw. Befürchtungen in zwei wesentlichen Punkten glücklicherweise nicht zutrafen:
1. Die historische Flurparzelle ist noch da – der Wall in Resten aber auch! Man äußert sich in der Wissenschaft grundsätzlich vorsichtig, gelegentlich zu vorsichtig. Nun haben Historiker zwar manchmal einen Adlerblick, Röntgenaugen aber nicht. Wie hätte man wissen können, dass der nach Quellenlage und Anschauung fast gänzlich abgetragene Wall unterirdisch doch noch existierte?
2. Die Heidenwall-Sache ist nicht in offiziellem Desinteresse versandet, ganz im Gegenteil. Die unterschiedliche Resonanz bei Fachleuten, Politikern, Stadtverwaltung, Bevölkerung und Medien ist bisher schätzungsweise zu mindestens 75% positiv. Das führte tatsächlich zu einer archäologischen Untersuchung des Geländes. Um obiges Wort aufzugreifen: Der Heidenwall wird im großen und ganzen tatsächlich eine Erfolgs-Geschichte der Stadt Oldenburg, die der Verfasser angestoßen und wesentlich mitgeschrieben hat.
 

Skizze der Kulturlandschaft mit archäologischem Grabungsgelände am Oldenburger Heidenwall (Deutsche Grundkarten 1:5.000 Nr. 2815 und 2816, mit unmaßstäblichen thematischen Einträgen bearbeitet von Martin Teller, Juni 2007)
Kulturlandschaft: Der Hemmelsbäker Kanal mündet in seinem Unterlauf gebogen in das hier 1894 begradigte Huntebett. Damit folgt er dem Ostteil einer früheren Hunteschleife, die wegen des dort stationierten Flussbaggers auch Baggerhafen genannt wird. In den verlandeten Westteil wurde Mitte der 1970er Jahre das Hafenbecken der ehemaligen Brandswerft gegraben. Die Hunte besaß hier (in ungefährer Lage eingezeichnet) einen südlichen Nebenarm, der im Spätmittelalter Broksfleth und im 19. Jahrhundert Wesenfleth genannt wurde. In den Hauptarm mündete er flussabwärts bei der heutigen Kaimauer des Osthafens an der Werrastraße. Im Westen muss er Anschluss an den dortigen Huntebogen gehabt haben, wo sein Verlauf offensichtlich von einem Wiesengraben nachgezeichnet wird, der in seinem Westteil (blaue Unterlegung) eine seit dem 18. Jahrhundert nachweisbare doch sehr wahrscheinlich viel ältere Flur- und Bauerschaftsgrenze bildet, in seinem Ostteil aber schon bis Mitte des 19. Jahrhunderts begradigt wurde (schwarzes Stück).
Zur selben Zeit wenigstens teilweise begradigt wurde der im 20. Jahrhundert ganz abgetragene Poggendeich, der das Wesenfleth von Süden her einfasste und zusammen mit diesem die zur Bauerschaft Donnerschwee gehörende Flur Wesenbrok von der östlich liegenden Flur Kleines Feld abgrenzte, die zur Gemarkung des Klosters Blankenburg gehörte (vgl. Beitrag Deiche um IKEA). Durch den Kreis gekennzeichnet wird der Heidenwall genannte frühmittelalterliche Ringwall mit seinem in der Wiese freigelegten Stück und seinem unter dem Deich liegenden bzw. mit einem vor 1760 erodierten und bei Uferbefestigungsarbeiten abgetragenen Stück. Die östlich davon im Geländeprofil und in Bodenschichten nachweisbare Vertiefung wird ein Teil des Wesenfleths und somit ein natürlicher Flussarm mit Querarm zum alten Huntebogen sein, der zugleich als Verteidigungsgraben diente. Entsprechend wird ein (nicht eingezeichneter) ähnlicher Bodenbefund westlich des Ringes ein Teil des einst hier beginnenden Wesenfleths sein.
Moderne Grabungen: Nachgewiesen wurden diese landschaftshistorischen Informationen durch den Verfasser aus Schrift- und Kartenquellen mehrerer Jahrhunderte und durch sich daran orientierende archäologische bzw. bautechnische Grabungen. Die roten Linien mit w.S. = westlicher Schnitt und ö.S. = östlicher Schnitt zeigen die ungefähre Position der archäologischen Suchgräben zu Grabungsbeginn, die mit kleinem Bagger und durch Handarbeit angelegt wurden. Anschließend wurde die Oberfläche des gelb gefärbten Bereichs mit großem Bagger abgegraben und die darin befindlichen Reste der Ringwallstruktur von Hand freigelegt. Auf Wunsch der Grabungsbeteiligten zog die mit der Geländeaufspülung betraute Baufirma parallel südlich zum Wiesengraben einen großen Baggergraben, der in seinem Ostteil (auf Höhe der nördlich zurückweichenden Höhenlinie von 1,50 m) eindeutige und im Westen weniger klar strukturierte Nachweise von Flußsedimentation und damit eines alten Huntearms enthält. Das Baggerloch wiederum südlich davon, eine rein technische Bodenprüfmaßnahme der Baufirma, enthielt nur noch vermoorten Bruchwald unter einer Schicht jüngerer Flussmarsch-Überschwemmungsablagerungen und lag somit außerhalb des archäologisch relevanten Grabungsbereichs.
 

Zur Chronologie der Grabungsvorgeschichte

Es gab gute Gründe, das Wissen um Existenz und Lage der Heidenwall-Parzelle jahrelang zu verschweigen und nur ab und zu nachzuschauen, ob das Gras darüber auch schön dicht wächst. Die Sache eilte ja nicht. Das betreffende Flurstück lag in einer Wiesenlandschaft am Rande der städtischen Bebauung, und wenn es jahrhundertelang Beweidung, gelegentliche Überschwemmung und sogar randlichen Deichbau überstanden hatte, dann tat es das auch weiterhin. Dazu gehörte das ganze Gelände zwischen Holler Landstraße und Werrastraße einer vor wenigen Jahren verstorbenen alten Dame, die diese grüne Weite liebte und daher nicht zur Bebauung verkaufen wollte. Außerdem wäre, wer die personenzahlmäßige, finanzielle und materielle Ausstattung der regionalwissenschaftlich so wichtigen Bezirksarchäologie kannte, nicht auf die Idee gekommen, die Kollegen der grabenden Zunft ohne Not mit einer weiteren Ausgrabung zu belasten. Wenn der Ort bekannt geworden wäre, ohne dass es zugleich eine archäologische Untersuchung gegeben hätte, wären wie man sich leicht vorstellen kann im Laufe der Zeit gewiss Raubgräber darüber hergefallen, von mutwilligen Zerstörungen durch Neugierige ganz zu schweigen.
Der Verfasser hat die ungefähre Heidenwall-Position schon seit 1997 nach Lektüre von Dr. Heinrich Munderlohs 1982 erschienen heimatgeschichtlichem Buch über Donnerschwee gekannt. In einem anderen Zusammenhang hatte ihm Geschichtsprofessor Dr. Heinrich Schmidt ein Buch über das Kloster Blankenburg zur Lektüre empfohlen (Tornow/Wöbcken: 700 Jahre Kloster Blankenburg zu Oldenburg, Oldenburg 1994), das maßstabsgetreue Karten aus dem 18. Jahrhundert enthält, in denen der „Heydenwall“ nicht nur eingezeichnet sondern auch namentlich erwähnt ist. Über einen sorgfältigen Abgleich mit jüngeren historischen, älteren modernen und ganz aktuellen Karten, in der Fachsprache „Flurrückschreibung“ genannt, konnte seit 2004 die Position des Heidenwalls noch exakter als bei Munderloh bestimmt werden, der den Wall etwas zu weit westlich verortet. Dieses Bild runden recherchierte Schriftquellen vom 15. bis 20. Jahrhundert ab, die Munderloh, wie wohl schon jene Karten, gekannt haben könnte aber größtenteils ungenannt ließ. Wegen der kartographischen Namensnennung verbunden mit exakter Lokalisierung kann entgegen aller sonstigen Zurückhaltung definitiv festgestellt werden, dass der nun ausgegrabene Ringwall der langverschollene Heidenwall sein muß.
 

Satellitenaufnahme der weiteren Heidenwall-Umgebung zwischen Holler Landstraße, Hemmelsbäker Kanal und Hunte vor Überbauung mit dem erweiterten Osthafen-Gewerbegebiet. Aus Google-Earth, Stand von Sommer 2005 (vgl. obige vom Boden aufgenommene Fotos vom Herbst desselben Jahres). Erhalten von Dr. Hans-Wilhelm Heine, Burgenforscher beim Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege in Hannover.
Die Lage des Heidenwall-Halbrunds im Deichbogen des Hemmelsbäker Kanals zeichnet sich deutlich unter der Wiesenoberfläche ab. Siehe dazu auch nach Anklicken des Fotos den vergrößerten Ausschnitt aus demselben Google-Luftbild, erhalten von Oliver Scheuch, Oldenburg.
(Hinweis von Google auf das Copyright von Screenshots gemäß Wikipedia: Ein persönlicher Gebrauch von Screenshots ist auf der eigenen Homepage, in Blogs oder in Dokumenten bei Quellennennung erlaubt, jede kommerzielle Nutzung bedarf aber einer Genehmigung. – Diese Vorgaben des Bildeigentümers stehen in völliger Übereinstimmung mit hiesiger Netzpräsenz, die nicht kommerzielle sondern fachhistorische Inhalte und Ziele hat, was das ordentliche Zitieren vollständiger Quellenangaben einschließt.)
 

Gestört wurde die Idylle der vor sich hinschlummernden Heidenwall-Flur aus Sicht des Verfassers erstmals am 8.3.2006, als die Öffentlichkeit über Pressemeldungen von dem endgültigen Platz der IKEA-Ansiedlung erfuhr, der nun westlich statt wie bisher geplant östlich der Werrastraße liegen sollte. Dadurch war sofort klar, dass die Lage des Heidenwalls nicht mehr sehr lange verschwiegen werden könnte, auch wenn die Bebauungsgrenzen der in den Zeitungen vorgestellten IKEA-Lagepläne noch deutlich vom Heidenwall entfernt blieben. Zur Annäherung an das siedlungsgeschichtliche Thema entstand auf hiesiger Homepage bis zum 10.3. zunächst nur ein kleiner Artikel über historische Deiche im Umfeld des Bebauungsgebietes, worin der Heidenwall einmal vorsichtig erwähnt wurde (allerdings mit genauen Datumsangaben, die eine längst erfolgte Recherche verraten).

Nachdem sich im Laufe des Jahres 2006 die Bauvorbereitungen immer konkreter abzeichneten und zudem in der Presse angekündigt wurde, das Gewerbegebiet über IKEA hinaus auszuweiten, sah sich der Verfasser gedrängt, am 2.1.2007 bei der Stadt Oldenburg nachzufragen, ob der historische Ort betroffen sei. Die Antworten vom 9. und 10.1. fielen so beunruhigend aus, dass gegenüber der Stadt nun erstmals mit konkreteren Informationen u.a. über den Heidenwall bzw. notwendig werdenden „Kulturschutz am Osthafen“ nachgesetzt werden musste, wie ganz zu Anfang des Beitrags dargestellt. Der Mail- und Briefverkehr mit den Behörden zog sich bis Mitte Januar hin, da sich städtischerseits anfangs offenbar niemand zuständig fühlte. Eine Antwort konnte schließlich durch direkte Adressierung an eine konkret bekannte Einzelperson erreicht werden, wonach sich dann, wohl von sich aus, noch eine zweite Amtsperson einschaltete.

Der Verfasser verblieb in offenbar zu optimistischer Hoffnung, die stadtgeschichtliche Bedeutung des Schreibens werde verstanden und als Information eines fachkundigen Bürgers wie erbeten auch tatsächlich an „alle relevanten städtischen Stellen“ weitergegeben. Bezüglich Kulturberatung gab es vielleicht keine, aber als sich bis Mitte Februar überhaupt keine Reaktion zeigte, blieb nichts anderes übrig, als mit einem Informationsrundschreiben nochmals nachzusetzen, es am 14.2. hier ins Netz zu stellen und am 15.2. per Brief und Mail an zuständige Ratsfraktionen, Verwaltungsstellen, Bürgervereine und einzelne Bürger zu schicken (aus technischen Gründen – manche Mails waren fehlerhaft übermittelt – am 17.2. z.T. wiederholt).

Es würde den gesetzten Rahmen sprengen, wenn im folgenden detailliert aufgeführt werden sollte, bei welchen Verwaltungs- und Gesellschaftsinstitutionen sowie einzelnen ihrer Vertreter der Verfasser sein Anliegen seither vorgestellt (genauer: sich darüber die Finger wund getippt und den Mund fusselig geredet) hat. Die Resonanz war zunächst äußerst dürftig. Von den meisten Stellen wurde man (bis heute) irgendeiner Antwort nicht für würdig befunden. Das offizielle Oldenburg zeigte sich anfangs bemerkenswert desinteressiert an kulturellen Stadtbelangen bzw. an Anliegen von Privatbürgern, als der der Verfasser nur in Erscheinung treten konnte, auch wenn die historische Ringwallanlage ein öffentliches Kulturgut ist. – Was auch erklärt, warum der möglicherweise bis zu 700 Jahre alte Klosterdeich am Kleinen Felde westlich der Werrastraße (vgl. Karte beim IKEA-Artikel) in aller Stille abgegraben wurde, ohne dass die Archäologie darüber informiert wurde und ihn hätte untersuchen können. Man muß sich vor Augen halten, dass die Stadt Oldenburg nicht nur Baubehörden hat sondern zugleich Untere Denkmalschutzbehörde ist, was aber wenig nützt, wenn dieser offenbar Zügel angelegt werden! Dabei wäre es auch nach Aussage von Fachleuten der Baufirma, welche die Erdarbeiten durchführte, besser gewesen, den Deich einfach stehenzulassen und nur neues Erdreich anzuschütten, da er u. a. mit historischem Ziegelmaterial „kontaminiert“ gewesen sei, dessen Beseitigung große Mühen und Kosten verursache.
Doch es gab durchaus auch positive Rückmeldungen, etwa seitens des Stadtarchivars Claus Ahrens. Gerade umweltnahe Parteien und Persönlichkeiten bewiesen in dieser Sache großes Engagement, ganz besonders Ratsfrau Alexandra Reith. Dazu kamen gewisse Rückmeldungen aus dem Umkreis des Baudezernats, vereinzelt sogar sehr aufgeschlossene. Vor allem interessierten sich zahlreiche Privatbürger für den Schutz des Heidenwalls, deren Zustimmung sehr aufmunternd war.
 

Kleinerer Schnitt einer weiteren Heidenwall-Satellitenaufnahme. Aus Google-Earth, Stand von Spätsommer 2005, Rechtsinfos siehe oben. (Vgl. obige vom Boden aufgenommene Fotos vom Herbst desselben Jahres.) Bezugsquellen wie beim Foto zuvor, ebenso der vergrößerte Ausschnitt aus demselben Google-Luftbild, der nach Anklicken aufgerufen wird. Im sonnenverdorrten Gras ist der Heidenwall-Bogen noch klarer zu erkennen als im frischen Wiesengrün. Wie auch beim vorherigen Foto handelt es sich bei der sichtbaren Geländedelle aber nicht um den einst höchsten Teil des Walles, der nach Abtrag auf tieferem Bodenniveau ringparallel im Innern liegt, sondern nur um den durch Vermoorung höher anstehenden Wallfuß.
 

Erst nachdem offenbar im Hintergrund jemand seinen Einfluss geltend gemacht hatte (anders ließe sich der plötzliche Umschwung nicht erklären), nahm die Entwicklung ihren bisher für die Stadt so positiven Verlauf. Der Verfasser wurde zu einem Gespräch am 10.5. in den Räumlichkeiten der Bezirksarchäologie gebeten, unter Leitung des (pensionierten aber bis zum Amtsantritt seiner nun bestellten Nachfolgerin Dr. Jana Fries immer noch kommissarisch betreuenden) Bezirksarchäologen Dr. Jörg Eckert, mit dem er schon längere Zeit in Kontakt stand, sowie Michael Wesemann und Gerhard Stahn auf Seite der Archäologen. Nun waren erstmals auch offizielle Vertreter der Stadt anwesend, Bau- und Umweltamtsleiter Klaus Büscher und Denkmalschützer Friedrich Precht. – Bzw. umgekehrt betrachtet wurde nun erstmals der Verfasser dazugeladen, denn bei einem vorherigen Gespräch zwischen Stadt und Archäologen war er nicht dabei, und der Heidenwall wurde nicht näher thematisiert (was an der Intervention anderer Fachleute gelegen haben mag, die eine Wiederentdeckung des Heidenwalls für unwahrscheinlich hielten, ohne dass sie je mit dem Verfasser über seine Quellen sprechen mochten). Die nun vom Verfasser vorgestellte Quellenlage über den Heidenwall war aber für die Archäologen überzeugend genug, daraufhin mit der Stadt Suchgrabungen auf der betreffenden Wiesenparzelle zu verabreden, wobei die Stadt mit Personal und Material (auch über Privatfirmen) logistische Unterstützung leisten wollte. Wie seitens der Stadt verlautete, war zu diesem Zeitpunkt das Flurstück mit dem Heidenwall noch nicht verkauft, lediglich für das vordere an die Holler Landstraße stoßende Grundstück habe schon ein Speditionsunternehmen Interesse angemeldet.

Gleich zu Beginn der nächsten Woche, am 14.5., kam es zur „Geländetaufe“, wie die Archäologen die offizielle Erstbegehung eines zukünftigen Grabungsgeländes nennen. Auf Initiative des archäologischen Grabungstechnikers Gerhard Stahn haben dieser und der Verfasser (dem das Verfahren aus dem Geographiestudium bekannt war) mit einem Erdbohrstock Bodenproben aus der Heidenwall-Flur entnommen, die Einblick in natürliche oder menschlich verlagerte Bodenhorizonte gewähren. Die Befunde zeigten zwar eine Absenkung des anstehenden Bodens im östlichen Bereich, der später als Graben (natürlicher Flussarm) angesprochen wurde, waren aber noch nicht sonderlich eindeutig, so dass der Verfasser schon eine Einstellung des Unternehmens befürchtete.
Da die oberirdischen Wallanlagen bekanntermaßen schon in früheren Jahrhunderten abgetragen waren, suchten die Archäologen Gräben, in die datierbares Fundmaterial eingebracht worden sein kann, während dem Historiker die vorliegenden Quellenbeweise zur Flurlage des Heidenwalls und das Wissen um die andauernde Existenz der annähernd in mittelalterlichen Umrissen überkommenen Flurparzelle bereits Erfolg genug gewesen wären. Nur resultiert daraus offenbar ein Vermittlungsproblem gegenüber Nachbarwissenschaften und Öffentlichkeit, vor allem aber gegenüber Lokalpolitikern und Mitarbeitern der öffentlichen Verwaltung. Ein handfestes, buchstäblich „greifbares“ Ergebnis in Form von Fundstücken oder deutlichen Bodenveränderungen ist für die meisten überzeugender als ein noch so klarer Quellennachweis, der in seiner papiernen Geistigkeit aber nicht jedermann anspricht.

Allerdings waren die einige Tage dauernden Bedenken des Verfassers gegenstandslos, denn während positive Bohrbefunde immer zu Grabungen führen sollten, können negative oder zweifelhafte nie eine Grabung definitiv ausschließen, wie Gerhard Stahn versicherte. Wissenschaft ist Vorsicht. Wissenschaft ist auch Zweifel. Bevor er die nun folgende Suchgrabung beginnen wollte, ließ sich der Grabungstechniker nochmals detailliert die Lagebeweise der historischen Karten erläutern (während einige wissenschaftliche Fachleute den Verfasser nicht einmal anhören geschweige denn seine Quellenbelege sehen noch über das Thema sprechen mochten). Die per Mail vom 15.5. erstmals in chronologischer Serie vorgelegten und ausführlich erläuterten Kartenbeweise aus dem 18. bis 20. Jahrhundert (die seither unter interessierten Archäologen und Stadtbediensteten verbreitet werden) besaßen die nötige Beweiskraft, um die Suchgrabung zu starten.
 

Überblick über den östlichen Suchgraben, angelegt am 23. und 24.5.2007, Blick nach Osten. (Hinten das bisherige Osthafengebiet an der Werrastraße, randlich rechts hinten die bis zu 3,50 m hohen Sandaufspülungen der IKEA-Baustelle. Foto: Martin Teller, 25.5.2007.)
 

Östlicher Suchgraben mit unterscheidbaren Abschnitten (Kurzbeschreibung nach Anschauung, Details der laufenden Untersuchung siehe zukünftige archäologische Publikationen; von West nach Ost, vom Wallinnern nach außen):
1. Vom linken Grabenende (außerhalb des Bildes, vgl. vorheriges Foto) bis zu den ersten Baumstämmen ein Aufschüttungsgemisch aus Sand und Mutterboden – der innere trockene Burgbereich.
2. Ein Gerüst von Baumstämmen an den Rändern und im Innern dieses Abschnitts mit künstlicher Verfüllung durch Flußsedimente – der Wall oder sein Kern. Vordere vom Bagger hochgedrückte und herausgehobene Stämme ursprünglich quer auf die untere Bildkante zulaufend.
3. Z.T. wallartig über die Wiesenoberfläche herausragend Niedermoor – vermutlich Teil der Wallböschung. Auf diesem niedrigen sich halbrund über die Parzelle ziehenden Wiesenwall stand der Verfasser in obigem Foto vom 30.10.2005. Demgegenüber zeichnete sich damals der eigentliche Wallkern nicht unter dem Wiesengras ab.
4. Geländesenke mit Niedermoor bzw. Flußsedimenten, verfüllt mit Sand – wohl bei Wallabtragung mit ehemaligen Wallbestandteilen verschütteter Huntenebenarm mit Burggrabenfunktion.
5. Wieder ansteigendes sandiges Gelände – natürlicher Uferwall des Nebenarms?
Rechts neben Eimer und Schlaghammer liegt ein Erdbohrstock (P, Pürckhauer-Sonde), der von Wissenschaften genutzt wird, die sich unter anderem auf Bodenkunde stützen, wie die Geographie und die Archäologie: ein 1 m langes (mehrfach verlängerbares) 2 cm weites Stahlhalbrohr mit Schlagkopf und abnehmbarem Griff, das mit schwerem Hammer in den Boden geschlagen und anschließend durch Drehen mit Boden gefüllt wird. Die entnommene Erdsäule enthält die horizontale Bodenschichtung.
Foto: Martin Teller, 24.5.2007.
 

Bäume und Gebüsch am betreffenden Gelände im Deichbogen des Hemmelsbäker Kanals waren entgegen der Bitte des Verfassers schon Ende März oder Anfang April gefällt worden, um die Überspülung vorzubereiten. Daher bot das Gelände einen traurigen Anblick, verglichen mit der herbstlichen Pracht aus dem Jahre 2005 (vgl. obige Fotos). Allerdings waren die Baumwurzeln nicht beseitigt und damit der Boden nicht gestört worden, was für die Suchgrabung bedeutsamer war als ökologische und landschaftsästhetische Belange.
Unter Leitung Gerhard Stahns und unter Einsatz von Personal und Ausrüstung der Oldenburger Baufirma Bahlmann wurden vom 23. bis 25.5. zwei schmale Suchgräben parallel zum Deichfuß des Huntealtarms gezogen; am 23.-24. der längere östliche, am 25.5. der kurze westliche. Im östlichen fanden sich eindeutig von Menschen hergestellte ältere Bodenveränderungen (wie die Archäologen in ihren Publikationen noch ausführlicher darlegen werden) – Verfüllungen mit eingelagerten Baumstämmen und außen daran eine verschüttete grabenähnliche Vertiefung; zuerst für Doppelgräben gehalten und am 1.6. als Wall-Grabenfolge erkannt.
 

Überblick über den westlichen Suchgraben, angelegt am 25.5.2007, Blick nach Westen. (Hinten jenseits des Hemmelsbäker Kanals die ehemalige Brandswerft, rechts hinter dem Deich nicht sichtbar die Kanalkurve zum Huntealtarm. Foto: Martin Teller, 25.5.2007.
 

Westlicher Suchgraben mit unterscheidbaren Abschnitten (von Ost nach West, vom Wallinnern nach außen):
Im westlichen Suchgraben bot sich das gleiche Bild wie im östlichen, nur spiegelverkehrt. Bei 1 zuerst die innere Sandaufschüttung, 2. die mit Baumstämmen stabilisierte Wallaufschüttung, wie im Ostschnitt schräg nach innen laufend, 3. wieder Niedermoor, 4. mit Sand verschüttete Niedermoor- bzw. Flußsediment-Senke. Ein Wiederansteigen des Geländes (s.o. Abschnitt 5) entfällt hier, da erst jenseits des vom Hemmelsbäker Kanal geschnittenen alten Huntenebenarms möglich.
Damit wurde am dritten Grabungstag deutlich, dass hier symmetrische Strukturen vorlagen: Im östlichen Suchgraben läuft der Wallabschnitt nach Westen, im westlichen Suchgraben läuft er nach Osten, das heißt, die Wallabschnitte führten bogenförmig aufeinander zu! Im Boden liegen Reste eines frühgeschichtlichen Ringwalls, bei dem es sich nach Flurlage nur um den längst verloren geglaubten Heidenwall handeln kann. Zusätzlich zum Lagebeweis durch die papiernen Quellen des Historikers kam nun der Beweis im Boden durch die Archäologie – ein Beispiel erfolgreicher interdisziplinärer Zusammenarbeit.
Die gesamte Wallanlage beträgt im Durchmesser schätzungsweise 40-50 m, dazu sind noch die umgebenden Huntenebenarme mit Burggrabenfunktion von jeweils ca. 20 m zu rechnen. Genauere archäologische Erkenntnisse werden aus den weiteren Grabungen gewonnen, die das vom Verfasser untersuchte historische Kulturlandschaftsbild verfeinern.
Foto: Martin Teller, 25.5.2007.
 

Als der Verfasser am 25.5. erst nach Dienstschluss des ersten dreiköpfigen Grabungsteams die Heidenwall-Flur besuchen konnte und sein Auge auf den ihm neuen Westschnitt fiel, zeigten sich dort die gleichen Befunde wie im Ostschnitt, nur spiegelbildlich gelagert! Damit stand sofort fest, dass sich im Boden ein symmetrisches Bild zweier bogenförmig aufeinander zulaufenden Grabenabschnitte ergab: der noch erkennbare Ringverlauf des oberirdisch abgetragenen Walles. Damit hat die Archäologie einen handfesten Zusatzbeweis für die historischen Lagebeweise des Heidenwalls geliefert, wie auch anhand der Fotobeschreibungen dargestellt. Für den Verfasser lag die Überraschung nicht in dieser Tatsache, schließlich sollte man sich auf seine eigenen Recherchen verlassen können, sondern in den noch so deutlich erkennbaren Überresten im Boden, die wiederum die Archäologen eher für möglich gehalten hatten als er.
Der 25. Mai 2007 darf wegen des eindeutigen Beweises im Boden für die Öffentlichkeit als der Tag der Wiederentdeckung des Heidenwalls gelten, während die Fachwelt auf die zeitlich leider nicht mehr genau erinnerliche, zudem bis Mitte Februar 2007 mehrfach nachgeprüfte Ortsbestimmung durch den Verfasser verweisen müsste (nach Erwerb des Blankenburg-Buches am 5.12.2003 und bis Sommer 2005, vmtl. 2004).
 

Beim Zeichnen des östlichen Grabenschnitts. Der Abiturient Maximilian Rex  (links) nimmt die Maße des Geländes und der verschiedenen Bodenhorizonte (unterschiedliche Befundschichten), die Historiker Martin Teller (hier als archäologischer Grabungshelfer) auf Millimeterpapier überträgt. Foto: Gerhard Stahn, 31.5.2007.
 

Die folgenden zwei Wochen vom 28.5. bis 8.6. wurden von Gerhard Stahn zur archäologischen Aufnahme der Befunde genutzt, d.h. zur genauen Geländevermessung (ausgeführt durch städtische Vermesser) sowie zur Ausmessung und Zeichnung der Grabenschnitte und ihrer Profile. An letzterem hat der Verfasser bis zum 6.6. mitgewirkt, um seine bei Teilausgrabung einer Dorfwüstung in Norddötlingen erworbene einmonatige studentische Grabungserfahrung von 1993 wieder aufzufrischen, nach der er als angelernter archäologischer Grabungshelfer gelten darf. Für interdisziplinäre Arbeit ist es nützlich, Methoden der Nachbarfächer zu kennen, auch wenn man diese längst nicht in gleicher Perfektion beherrscht wie deren Vertreter.
 

Der große Baggergraben südlich des Wiesengrabens und der Grabungsstätte, ca. 1,50 m tief, auf Rat des Verfassers freundlicherweise von der benachbart tätigen Baufirma Bunte gezogen, um Aufschluss über die Geländebeschaffenheit südlich des Wiesengrabens zu gewinnen. Der untere dunkle Bodenhorizont rechts an der Grabenkante auf Höhe des Metallkoffers zeigt reine Flusssedimente eines Hunte-Nebenarmes, die im Hintergrund in Kanalnähe mit anderen Bodenschichten vermengt waren, auch mit anstehendem Sand des Drielaker Geestrückens. Hinweise auf eine eventuelle Vorburg oder eine Zuwegung (per Bohlendamm?) waren hier nicht auszumachen.
Foto: Martin Teller, 31.5.2007.
 

Von den zwei Arbeitskräften der Firma Bahlmann verblieb bis zum 4.6. nur der Sohn des Unternehmers, der Abiturient Maximilian Rex, als Grabungshelfer vor Ort. Er und der Verfasser konnten (quasi aus Solidarität mit anderen Bodengrabenden) zwischendurch zahlreiche Mäuse retten, die in den großen Baggergraben gefallen waren, der am 31.5. zum Einblick in die natürlichen Böden südlich des Wiesengrabens gezogen wurde, während die eher nicht auf Keramikscherben abgerichteten zwei kleinen „Grabungssuchhunde“ Gerhard Stahns fremde Hunde am unsachgemäßen Graben auf der historischen Stätte hinderten. – Man sollte bei aller Konzentration auf seine historisch-wissenschaftlichen Aufgaben nie den Blick auf das nicht minder bunte Leben der eigenen Gegenwart vergessen.
 

Übersicht des Grabungsgeländes, Blick nach Osten: Vorne und nördlich-links die Deiche des Hemmelsbäker Kanals bzw. des Baggerhafen genannten Hunte-Altarms. Ab dem roten Pflock fast bogenförmig geschwungen bis zum Bagger die Vertiefung des Wiesengrabens, der alten Flurgrenze der Heidenwall-Parzelle und der Bauerschaft Donnerschwee zur Bauerschaft Osternburg. Die Stätte des Heidenwalls inklusive Suchgräben liegt zwischen Wiesengraben, linkem Deich und Bauwagen nebst Autos in der Bildmitte. Südlich-rechts des Wiesengrabens ebenso gebogen der große Baggergraben mit Erdaushub. (Vier Tage später wurde im Vordergrund südlich des Baggergrabens das Baggerloch ausgehoben, s.u.) Hinten links das bisherige Osthafengelände, rechts die Sandaufspülungen der IKEA-Baustelle. Ganz im Hintergrund das Blankenburger Holz.
Foto: Martin Teller, 31.5.2007.
 

Die mit der Stadt abgesprochene Suchgrabung war sehr erfolgreich gewesen. Die wissenschaftlich logische Folge konnte nur eine Flächenausgrabung sein, denn frisch entdeckte archäologische Befunde ununtersucht abzubaggern wäre ein Akt der Barbarei gewesen und hätte zudem gegen das Denkmalschutzgesetz verstoßen (man fragt sich, was schwerer wiegt). Vorher musste aber die Stadt als Grundeigentümerin und Bauplanerin zustimmen. Daher trafen sich deren Vertreter mit den zuständigen Archäologen zur Abstimmung ihrer Positionen am 1.6. auf der Heidenwall-Parzelle.
Die Archäologen wurden vertreten von den Fachleuten der Landesarchäologie aus Hannover, dem Leiter des Niedersächsischen Landesamtes für Denkmalpflege Dr. Henning Haßmann, dem Burgenforscher Dr. Hans-Wilhelm Heine und dem Bodenkundler Dr. Jörg Lienemann, sowie den Vertretern der Bezirksarchäologie Dr. Jörg Eckert, Gerhard Stahn und Michael Wesemann. Städtischerseits erschienen waren die Amtsleiter Klaus Büscher (Umweltschutz und Bauordnung) und Hans-Joachim Schatke (Verkehr und Straßenbau) mit etlichen (dem Verfasser z.T. namentlichen nicht genau bekannten) Mitarbeitern, darunter die Herren Ebeling, Militzer, Ptaszynski, letztere beiden als denkmalrechtliche bzw. technische Kontaktpersonen zwischen Grabungsteam und Stadt. Ein Vertreter des Kulturamtes war nicht anwesend, aber privat der Verfasser als beobachtender Historiker. Damit standen ein gutes Dutzend Personen zur Besprechung in einem großen Kreis oder Oval, ähnlich der Form des noch größtenteils unter der Grasnarbe liegenden Ringwalls.
Die Stadt Oldenburg hatte vor, den (natürlichen und den durch menschliche Bauwerke veränderten) Boden auf dem historischen Heidenwall-Flurstück abzubaggern und mit Sand zu überspülen, um bei späterem Ausbau des Gewerbegebietes der sich vorne an der Holler Landstraße ansiedelnden Spedition ein erweitertes Parkplatzgelände anbieten zu können. Demgegenüber stellten die Archäologen unter Dr. Haßmann die archäologische Relevanz, den kulturellen Wert und die stadtgeschichtliche Bedeutung der offensichtlich frühmittelalterlichen Ringwallanlage dar. Während der Verhandlungen hieß es, der damals im Ausland weilende Oberbürgermeister Prof. Dr. Gerhard Schwandner habe den Verkauf der Heidenwall-Parzelle an die Spedition bereits fest zugesagt. Falls das stimmt, wäre es in den drei Wochen zwischen der Besprechung vom 10.5. und der heutigen Versammlung geschehen, als die Stadt bereits mit den Archäologen zusammenarbeitete, wobei spätestens seit dem 25.5. offensichtlich war, dass es auf besagter Wiese relevante Bodenfunde gab, nämlich die vom Verfasser bereits zu Jahresanfang genannte historische Wallanlage.
Für ein Gemeinwesen ist es vorteilhaft, wenn seine führenden Vertreter sowohl fachkompetent und führungsfähig sind als auch über ihr eigenes Fachgebiet hinaus umfassend interessiert und gegebenenfalls flexibel genug, sich geänderter Erkenntnislage anzupassen – Eigenschaften, die von leitenden Beamten in Politik und Verwaltung erwartet werden können. Entsprechend schlug Amtsleiter Schatke schließlich vor, auf der Heidenwall-Flur nur den Oberboden abschieben zu lassen, was die archäologischen Befunde freilegt und ihre Untersuchung ermöglicht, und anschließend den Unterboden mit Sand überspülen zu lassen, anstatt alles auszukoffern, was längere Zeit gedauert hätte. Dadurch wurde unter dem Zeitdruck nahender Gewerbebebauung Spielraum für eine achtwöchige Notgrabung gewonnen (die freilich nicht in Nöte hätte kommen müssen, wenn die Hinweise des Verfassers Monate eher beachtet worden wären). Die Kosten der für Oldenburg so bedeutsamen Ausgrabung werden auf 60.000,- € geschätzt, was verhältnismäßig wenig ist, wenn man beispielsweise die gleichen Kosten für ein neu eingeführtes Weser-Ems-Hallen-Logo dagegenhält, das zudem in der Bevölkerung alles andere als sonderlich beliebt ist.
Von städtischen Vertretern informiert erschienen anschließend etliche Journalisten der regionalen Presse am historischen Ort. Seither berichten die Medien über Wall und Grabung (s.u. dokumentierte Zeitungsartikel), was den Verfasser vor ungewohnte Herausforderungen stellt. Noch vor Beginn der Konferenz im Grünen hatten die versammelten Archäologen – vier Doktoren und weitere Experten – die Bewertung der Anlage als frühmittelalterliche Wallburg und als bedeutendes Bodendenkmal bestätigt. „Das ist der Durchbruch!“, stellte der vom Verfasser informierte und interessiert die Entwicklung verfolgende Historiker und Oldenburger Universitätsdozent Dr. Gerhard Wiechmann fest.
 

Das Baggerloch südlich des großen Baggergrabens neben dem Hemmelsbäker Kanal, ca. 3 m tief, gegraben am 4.6.2007 von der für Bodenauftrag zuständigen Baufirma Bunte zur Prüfung des natürlichen Untergrundes. Ohne in unmittelbarem Zusammenhang mit der archäologischen Grabung zu stehen ergeben sich daraus doch aufschlussreiche Erkenntnisse über die umgebende historische Naturlandschaft. Der Schnitt enthielt eine mächtige Bruchwaldschicht mit Baumstammresten auf anstehendem Sand, der vom rasch nachlaufenden Grundwasser verdeckt wurde. Zumindest an diesem Punkt südlich jenes Huntenebenarms, der im Mittelalter nicht zufällig Broksfleth hieß (Brok = Bruchwald), ließ sich im Boden ein dichter Sumpfwald nachweisen.
Foto: Martin Teller, 4.6.2007.
 

Vom 6. bis 8.6. wurde wie mit der Stadt besprochen durch Einsatz eines von ihr vermittelten großen Baggers der Wiesenoberboden der gesamten Heidenwall-Flurparzelle zwischen dem Hemmelsbäker Kanaldeich im Westen, einem Wiesengraben im Süden sowie den Suchgräben im Norden fast bis zu deren östlichem Ende und fast bis auf deren ausgehobene Tiefe abgetragen und per Lastwagen fortgefahren, um eine einheitliche Grabungsoberfläche herzustellen, das sogenannte Planum. In dieser zweiten Wochenhälfte standen Gerhard Stahn lediglich zwei von der Stadt als Grabungshelfer vermittelte arbeitslose Jugendliche zur Verfügung, die ihm bei der Glättung des Planums durch Schaufelarbeit zur Hand gehen konnten.
Seit dem 11.6. bekam er dann fachliche Unterstützung durch die private archäologische Grabungsfirma Arcontor unter Teamleitung von Marco Zabel, die engagiert wurde, weil die eigenen Kräfte der Bezirksarchäologie mit einer größeren Grabung bei Visbek bereits ausgelastet waren. Unterdessen hatte das von der Stadt gerufene Technische Hilfswerk am 13.6. zwei geräumige Zelte zum Schutz des technischen Grabungsgerätes aufgestellt. Nun konnte die eigentliche flächenhafte Ausgrabung beginnen. Nachdem die Dinge soweit gediehen waren, zog sich der Verfasser nach dem 6.6. von der Grabungsstätte zurück, um fachliche Beiträge über den Heidenwall verfassen und andere Arbeiten angehen zu können. Unter anderem durch sporadische Besuche hielt er Kontakt zum Grabungsleiter und wurde über die weitere Entwicklung informiert.
 

Auf die Suchgräben folgt eine flächige Ausgrabung. Nach dem Abtrag der jungen Humusoberfläche auf der ganzen Heidenwall-Parzelle am 6.-8.6.2007 wurde die historische Stätte unter Leitung des Gerhard Stahn von der Grabungsfirma Arcontor (Braunschweig und Berlin, Team von Marco Zabel) fachmännisch ausgegraben, da das ordentliche Team der Bezirksarchäologie mit einer anderen Grabung bei Visbek ausgelastet ist.
Zwischen den Plastikplanen, die zum Schutz vor Austrocknung oder Überschwemmung die jeweils gerade nicht bearbeiteten Flächen abdecken, befindet sich das freigelegte Halbrund des Walles, dessen größerer Mittelteil noch ansatzweise unter dem Deich liegen wird und dessen nördlicher Bogen nach historischer Quellenlage bei Uferbefestigungsarbeiten bzw. durch Flusserosion schon vor 1760 beseitigt wurde. Foto: Martin Teller, 14.6.2007.
 

So konnte er sich am 14.6. die eigentümliche Gestalt der nun bis zum Deichfuß ganz freigelegten Holz-Erde-Konstruktion des Wallrundes genau ansehen und erfuhr auch vom Fund einer zwischen deren Balken gelagerten ca. 10 cm langen roten Tonscherbe, die mit einem markanten kreisförmigen Kreuz-Dorn-Muster versehen ist, wodurch sie anhand von Fundkatalogen ins 8.-10. nachchristliche Jahrhundert datiert werden konnte – passend zum angenommenen Alter des Heidenwalls. Da sie im Zuge der Bauarbeiten in die Erde gekommen sein muss, ist sie sogar noch ein wenig älter als der Wall selbst und lag in ihm über 1000 Jahre unter der Erdoberfläche. Wie muss sich der entdeckende Archäologe fühlen, wenn sein Auge zum ersten Mal nach derart langer Zeit auf ein längst vergessenes Zeugnis menschlichen Schaffens fällt?
Oldenburgs derzeit wohl berühmteste Scherbe kann hier vorerst nicht abgebildet werden, obwohl der Verfasser sie nicht nur in den Händen halten sondern auch Fotos von ihr machen konnte. Denn wie jeder über die Art der Publizierung seiner eigenen Forschungsergebnisse oder -anteile selbst entscheiden kann, so bleiben archäologische Grabungsergebnisse den Archäologen zur ersten Publizierung überlassen (abgesehen von bereits erfolgten zitierbaren Mitteilungen an Presse und Öffentlichkeit). Sobald das geschehen ist, werden anhand dessen die wichtigsten Details der eigentlichen Grabung, der Flächengrabung, sowie das Scherbenfoto nachgereicht. (Siehe aber schon die Grabungsfotos auf der Netzseite der Landesarchäologie unter Links bei Forschungseinrichtungen. – Die Fotos konnten am 24.7.2007 nachgetragen werden.).
 

Tonscherbe aus der Heidenwall-Grabung. Anhand der Verzierung des Radstempelmusters – Kreuzmotiv mit diagonal eingefügten Dornen – läßt sich die Scherbe und damit die Erbauung des frühmittelalterlichen Ringwalls auf das 8. bis 10. Jahrhundert datieren. Die Tonscherbe wurde im südwestlichen Bereich des äußeren Wallfußes gefunden. Fotos: Martin Teller, 14.6.2007. Publiziert mit freundlicher Genehmigung der Gebietsreferentin ("Bezirksarchäologin") Dr. Jana Fries.
 

Die geneigten Leser werden der Einschätzung zustimmen, dass Wissenschaft – auch Geschichtswissenschaft – ein großes Abenteuer sein kann. Umso spannender, wenn es direkt vor der eigenen Haustür stattfindet. Der Verfasser hat in den letzten Wochen und Monaten sehr viel über Fachinhalte – Geschichte, Archäologie, Bodenkunde – , Lokal- und Kulturpolitik sowie Öffentlichkeitsarbeit gelernt; manches quasi im Selbstversuch, wobei nicht alles ganz perfekt lief, was auch an der ungewohnten (und ungeliebten) Situation liegt, plötzlich zusammen mit seinen Arbeitsergebnissen im Licht der Öffentlichkeit zu stehen und hinsichtlich Kulturschutz große Widerstände überwinden zu müssen. Daran kann man sehen, wozu fachliches Engagement, Bürgersinn, Pflichtgefühl und Verantwortungsbewusstsein gegenüber wertvollen Geschichtsdenkmälern führen können, wenn man nicht aufpasst. Möglicherweise lohnt es sich aber, denn alles in allem sind mittlerweile Aufmerksamkeit und Interesse für den Heidenwall in allen gesellschaftlichen Gruppen stark gewachsen, so dass zumindest seine geräuschlose Beseitigung ohne archäologische Untersuchung undenkbar geworden ist.

Damit dürfte deutlich geworden sein, dass der Beitrag des Verfassers an der Erforschung des Oldenburger Heidenwalls sich nicht nur darauf beschränkt, ihn in privater Initiative nach gründlichem Quellenstudium wiederentdeckt und Stadtverwaltung, Archäologen und Öffentlichkeit die ausschlaggebende Lageinformation gegeben zu haben. Er besteht auch in interdisziplinärer Arbeitsteilung mit der Archäologie, indem der Verfasser Details zum mittelalterlich-frühneuzeitlichen Kulturlandschaftsbild dieser Gegend und der Heidenwall-Flur liefern konnte. (Vereinfacht in obiger Karte und Legende. Oldenburgische Siedlungs- und Landschaftsgeschichte ist Schwerpunkt und Forschungsbereich des Verfassers.) Außerdem hat er dem Grabuntstechniker Informationen über die allgemeinen nordwestdeutschen Geschichtsereignisse der Heidenwall-Zeit zur Verfügung gestellt (vgl. frühmittelalterliche Zeittafel) und nebenbei in bescheidenem Rahmen direkt bei der Ausgrabung archäologisch mitgearbeitet. Diese gedeihliche Zusammenarbeit trug freilich auch umgekehrt Früchte, indem der Verfasser Geschichtsinformationen gewann, die sonst im Boden verborgen geblieben wären, die wiederum dazu beitragen, genauere Erkenntnisse zur Gestalt des Heidenwalls und seiner umgebenden Natur- und Kulturlandschaft zu gewinnen (den Querarm vom Broksfleth zum Hauptarm der Hunte). Außerdem fühlt sich der Verfasser verpflichtet, in mündlichen oder schriftlichen Mitteilungen – über die Stadtverwaltung, direkt durch die Presse oder über seine Homepage www.Stadt-Land-Oldenburg.de – die Öffentlichkeit zum Heidenwall zu informieren.
Die fachliche Bearbeitung der Entdeckungen steht aber noch aus, zumal die Ausgrabung noch läuft und alle Ergebnisse vorläufig sind. Während aber die Archäologen die Fundstelle und -ergebnisse auf ihre spezifische Weise bearbeiten, bereitet der Verfasser einen fachhistorischen Aufsatz darüber vor, der (zunächst) nicht auf dieser Homepage sondern in einer geschichtlichen Fachzeitschrift erscheinen soll. Darin wird es weniger um die hier beschriebenen Ereignisse im Vorfeld der Heidenwall-Ausgrabung gehen, als vielmehr um siedlungs- und landschaftsgeschichtliche Aspekte zwischen Drielake und Donnerschwee (Kurzform siehe Kasten).
 


Geschichtliche Bedeutung für Oldenburg

Die im Oldenburger Stadtteil Drielake bzw. Neuenwege wiederentdeckten Überreste der Ringwallanlage stammen mit großer Wahrscheinlichkeit aus dem Frühmittelalter [glaubten wir alle damals und wissen nun: Frühhochmittelalter – was an der Bewertung nichts ändert:]. Damit fallen sie in die Gruppe der ältesten Siedlungsspuren innerhalb des Stadtgebietes, die nur bei Bauernhausresten am innerstädtischen Marktplatz und in einigen eingemeindeten Eschdörfern noch weiter zurückreichen. Eine Wehranlage aus dieser frühen Zeit vor Etablierung des Oldenburger Grafenhauses konnte aber nirgends sonst in der Stadt Oldenburg nachgewiesen werden, weder bei den ehemaligen Burgen von Donnerschwee und Beverbäke, noch beim Oldenburger Schloss, das als vormalige Grafenburg nur bis ins Hochmittelalter datiert werden kann. Bereits dadurch ist der Wall ein wichtiges Bodendenkmal und nimmt innerhalb der Oldenburger Stadtgrenzen sowie im regionalen Kontext eine herausragende Stellung ein.
Eine ganz besondere Bedeutung gewinnt der Ringwall durch die Tatsache, dass es sich bei ihm um den sogenannten Heidenwall handelt, der diese Bezeichnung spätestens seit dem 15. Jahrhundert trägt. Seine genaue Lage in der Flur war in Vergessenheit geraten, bis sie der Verfasser erneut nachweisen konnte. Bislang war man davon ausgegangen, die kleine Burg sei bei Anlage des Hemmelsbäker Kanals 1830/31 völlig zerstört worden, oder man habe dabei letzte oberirdische Wallreste abgetragen, aber das ist offensichtlich ein Irrtum.
Die im Oldenburger Landesrahmen siedlungsgeschichtliche Sensation besteht aber nicht nur im Wiederauffinden des längst verlorengeglaubten Walles. Nicht weniger bemerkenswert ist der weitgehende Erhalt seiner Flurparzelle, die seine frühere natürliche Umgebung konserviert hat – (nach Entdeckung des Verfassers) eine Flussinsel in der Hunte. In drei Himmelsrichtungen wird sie durch derzeit noch bestehende Gewässer begrenzt: im Norden ein breiter Hunte-Altarm, im Westen und Süden ein historischer Huntenebenarm namens Broksfleth/Wesenfleth, der durch einen jetzigen schmalen Wiesengraben nachgezeichnet wird. Den östlichen Abschluss zwischen beiden bildete ein durch die Grabung wiederentdeckter Querarm. Folglich besteht das Bodendenkmal nicht nur aus dem Ringwall selbst, sondern auch aus der Flur, in der er liegt, die in ihren früh- bis hochmittelalterlichen Umrissen trotz einiger erwiesener und anzunehmender weiterer Veränderungen noch im wesentlichen erhalten ist.
Die Rolle des Heidenwalls in der Oldenburger Geschichte wird noch dadurch gesteigert, dass sich mit seiner Hilfe Oldenburgs Namensproblem klären ließe. Denn der Heidenwall könnte die Burg sein, auf die sich das „alt“ im urkundlich erstmals 1108 erwähnten Namen der gräflichen Oldenburg („Aldenburg“) bezieht. Damit tritt der Burg- und Ortsname bereits ein halbes Jahrhundert früher in Erscheinung, bevor archäologischen Untersuchungen zufolge die Grafenburg um 1150 fertiggestellt war. Da diese Burg noch während ihrer Erbauung kaum schon als „alt“ angesehen worden sein kann, wird ihr Name auf eine ältere Vorgängerburg hinweisen, die aber weder am Ort des heutigen Schlosses noch auf dem Geestabhang der heutigen Innenstadt (als angebliche „germanische Fluchtburg“) nachgewiesen werden konnte. Dagegen stellt der etwa zweieinhalb Kilometer flussabwärts liegende Heidenwall die einzige real nachweisbare ältere Burganlage im näheren Umkreis dar, die als Vorläufer der Grafenburg in Frage käme, wobei ein Zusammenhang mit der bäuerlichen Ansiedlung in der Oldenburger Innenstadt aber ungeklärt ist. (Dieser Namenszusammenhang wird in der Oldenburger Geschichtswissenschaft seit mindestens 25 Jahren erwogen.) In Konsequenz dieser Erklärung werden sich außer dem Burgnamen auch das sich nach ihm nennende Grafengeschlecht sowie der spätere Stadtname und sogar der Landesname „Oldenburg“ und alle jüngeren Oldenburger Namensbezüge indirekt von diesem älteren Ringwall ableiten. Der Heidenwall wäre dann – zumindest rein namensgeschichtlich gesehen – die Urzelle Oldenburgs.
Damit gäbe es außer dem Oldenburger Schloss keinen anderen derart bedeutungsvollen Ort im Oldenburger Land. Der Heidenwall zählt zu den wichtigsten Bodendenkmalen im Stadtgebiet und ist sicherlich die bedeutendste historisch-archäologische Stätte außerhalb der Innenstadt. Er erlaubt uns einen Blick in die weitgehend unbekannte Frühgeschichte unserer Region vor Erbauung der gräflichen Oldenburg. Da ein zweiter Fund dieser Güte innerhalb der Stadt Oldenburg unwahrscheinlich ist (auch wenn wir die Hoffnung auf weitere aufschlussreiche Fundstellen gerade in den alten Dorfkernen nicht aufgeben), wird man die Entdeckung des Heidenwalls als Jahrhundertfund bezeichnen dürften, mit dem der Verfasser einen Beitrag zur Erforschung der Stadtgeschichte und (zeitlich sehr passend) zum 900jährigen Namensjubiläum Oldenburgs zu leisten vermochte.
 

 

 

Grabungs-Impressionen vom Heidenwall. Eine archäologische Beschreibung der hier unkommentierten Befunde bleibt archäologischen Fachpublikationen vorbehalten, während sich der Verfasser in seiner Eigenschaft als Historiker und Geograph an anderen Stellen dazu äußert. Sollte der originale Geschichtsort eines derart seltenen, eindrucksvollen und über 1000 Jahre alten Bodendenkmals – der Vorläufer der Oldenburg und „Namenspate“ für Stadt und Land – zugunsten eines modernen Parkplatzes zerstört werden? Fotos: Martin Teller, 29.6.2007.
 

Zum Umgang mit dem Bodendenkmal

Der an historischer Bausubstanz nicht mehr gerade reichen Stadt Oldenburg ist unverhofft eine neue Geschichtsstätte geschenkt worden. Anstatt aber dieses Kulturerbe zu bewahren, soll der stadtgeschichtlich so bedeutende Ort nach der (beinahe nicht zustandegekommenen) Ausgrabung sogleich wieder beseitigt werden, um in einem Gewerbegebiet unterzugehen. Im Wahlkampf hat sich Oberbürgermeister Prof. Dr. Schwandner für die Förderung der kulturellen Belange Oldenburgs ausgesprochen und hätte nun beste Gelegenheit, seine diesbezüglichen Absichten demonstrativ zu beweisen. Es sollte auch ein Glücksfall für Oldenburg sein, dass der gegenwärtige niedersächsische Minister für Wissenschaft und Kultur Lutz Stratmann ein gebürtiger Oldenburger ist. Der Verfasser hat ihn am 18.6.2007 bei seinem Besuch auf der Grabungsstätte als geschichtlich interessierten Menschen kennengelernt, der darüber nachdachte, ob man den Wall nicht über ein (mit Glas abgedecktes) „Loch im Boden“ auch zukünftig sichtbar machen könnte.
Am einfachsten und kostengünstigsten bliebe immer noch, den Vorschlag des Verfassers aufzugreifen und auf der kleinen aber geschichtsträchtigen Parzelle im Bogen des Hemmelsbäker Kanals einen Geschichtspark im Grünen als Ausflugs- und Lernort für Schüler, Studenten und alle Bürger einzurichten, mit Informationstafeln und Modell(zeichnung)en, mit rekonstruierten Wallresten in der Mitte und randlich stehenden Bäumen. Die großen Besucherströme, die die Ausgrabung derzeit anzieht, ließe auch in Zukunft reges Interesse erwarten. Dafür hätte man aber gar keine Ausgrabung finanzieren müssen sondern das Flurstück unüberspült in seiner Situation belassen können, denn bereits die Flurform der Heidenwall-Parzelle ist ein bemerkenswertes Zeugnis aus Oldenburgs Frühgeschichte. Dies hätten Archäologen und Verfasser anfänglich sogar vorgezogen, weil auch eine Ausgrabung letztlich immer eine wissenschaftlich dokumentierte Zerstörung ist. Doch als feststand, dass ohne eine Grabung überhaupt nichts geschehen und die Parzelle ununtersucht überspült würde, war die Ausgrabung unabdingbar, ohne deren deutliche Ergebnisse ein breites Publikum ohnehin nicht von der historischen Bedeutung des Flurstücks zu überzeugen gewesen wäre. Außerdem wird der wissenschaftliche Erkenntnisgewinn durch die Ausgrabung beträchtlich sein, was alle Angehörigen der verschiedenen geschichtswissenschaftlichen Glieder gleichermaßen begrüßen.
Wenn es schon nicht möglich war, die Wallparzelle zu erhalten wie sie dalag, sollte – müsste – sie als bemerkenswertestes historisches „Nebenzentrum“ im Stadtgebiet wenigstens vor Überspülung geschützt werden. Dieser Vorstellung wurde stets zuerst mit dem Kostenargument widersprochen, die Spülinfrastruktur liege nun einmal bereits vor Ort, die Geländeaufspülung abzubrechen und später erneut zu beginnen sei viel zu teuer. Dabei könnten im Gegenteil Kosten eingespart werden, wenn man sich entschlösse, die ca. 4000 Quadratmeter der Heidenwall-Parzelle eben von der Überspülung auszunehmen. Dem folgte das technische Gegenargument, es sei nur mittels deichartiger Böschungen oder Spundwände möglich, die 3,50 m hoch aufgespülte Bodenoberfläche des benachbarten Gewerbegebietes festzuhalten. Tatsächlich soll die Spülhöhe zur Hunte hin aber nur die Krone des vorhandenen Sommerdeiches erreichen, ca. 2 m, und ordentliche Böschungen (oder warum nicht Spundwände?) sollte jede Baufirma anlegen können. Dem folgte zuletzt der Hinweis auf die fehlende Entwässerungsmöglichkeit einer dann entstehenden Geländesenke. Da der vorhandene Wiesengraben aber mit zum historisch relevanten Gelände gehört und ebenfalls ausgenommen werden müsste, hätte man bereits einen Graben, der nur etwas zu vertiefen wäre. Wenn von diesem dann zum Hemmelsbäker Kanal ein Rohrdurchstich erfolgen würde, der mit einer Sielklappe zu verschließen wäre (die Gezeiten reichen bis hierhin), könnte man auch das Entwässerungsproblem lösen. So gänzlich unpraktisch denken Historiker nicht, und wo ein Wille wäre, wäre für Techniker auch ein Weg.
Die bei der Ausgrabung aufgedeckten Befunde könnten aber nicht unbehandelt unter freiem Himmel liegenbleiben, denn die lange unter Luftabschluss gelegenen Balken zerfallen bei Sauerstoffkontakt allmählich. Daher wäre es wohl am sinnvollsten und zugleich am eindrucksvollsten, wenn mit fachlicher Kreativität und unter Benutzung moderner Materialien direkt an der historischen Stätte eine Rekonstruktion des Heidenwalles erfolgen würde, wobei über Ausmaß und Form der Rekonstruktion, die nicht zu perfekt sein wollte, noch nachzudenken wäre. Die gefundenen originalen Holzbalken und unterschiedlich gefärbten Böden werden sich dagegen nicht in ihrer kompletten beeindruckenden Gestalt als museale Ausstellungsgegenstände eignen, so sehr das zuweilen auch in der Stadtverwaltung gewünscht wird. Außer einigen Kleinfunden wie Scherben und Holzresten und vielleicht einem museal nutzbaren präparierten Holzsegment wird vom geschichtlichen Heidenwall nicht viel übrigbleiben. Auch dürfte der Platz in Museen viel zu knapp für einen größeren „Wiederaufbau“ sein. Wenn man den Ringwall rekonstruktiv erhalten will, um ihn für die Nachwelt erlebbar zu machen, dann am Originalort. (Wobei unter „Rekonstruktion“ nicht unbedingt nur eine idealisierte „Wiederherstellung des historisch Verschwundenen“ verstanden werden soll. Zwar ließe sich ein kleines Wallsegment bis zur vermuteten Höhe von 3-4 m mit Erde aufschütten und einer Palisade versehen, wobei dann deutlich gemacht werden müsste, dass es sich bei seiner äußeren Gestalt nur um eine Annahme handelt. Diesem angeschlossen könnte das nächste Wallsegment nur aus einem Skelett der Holzbalken bestehen; in der Gestalt und Höhe, wie es durch die Ausgrabung freigelegt wurde. Als drittes Segment könnten bloße Linien auf einem festen Untergrund dienen, welche den Ringverlauf der Holzbalken nur andeuten und damit gleichzeitig unser trotz aller Mühen schwindend geringes Wissen von den verschiedenen Vergangenheiten.)

Die Stadt Oldenburg läuft Gefahr, ausgerechnet zum 900jährigen Namensjubiläum den wahrscheinlichsten historischen Bezugsort ihres Namens zu beseitigen. Nun bestünde selbst nach einer Überspülung, die das überkommene Flurdenkmal zerstören und die (nach früherer Wallabtragung) wieder weitgehend frühmittelalterliche Bodenhöhe überdecken würde, zukünftig noch die Möglichkeit, den Geschichtsort auf neuer Oberfläche aber an originaler Stätte zu reinszenieren. Was läge angesichts seiner Oldenburger Namenspatenschaft näher, als den Heidenwall ins Zentrum der Feier zum 900jährigen Oldenburg-Jubiläum zu stellen? Im Falle seiner Überbauung wird man diese Feier wohl ersatzweise auf dem Parkplatz einer bundesweit tätigen Spedition begehen müssen, die keinen geschichtlichen Bezug zu Oldenburg oder speziell zum Heidenwall-Flurstück hat.
(Es bleibt die Frage, warum man sich in Oldenburg so schwertut, dem Gemeinwohl dienende uneigennützige Vorschläge – rechtzeitig – zu würdigen und das in der Bevölkerung vorhandene Potential im Sinne einer gedeihlichen Stadtentwicklung zu nutzen. Wenn der Verfasser sich außer seiner fachhistorischen Arbeit auch intensiv mit Aspekten von Kulturpolitik und -marketing auseinandersetzt, soll dabei nicht verschwiegen werden, dass er selbst der einzige unter allen Beteiligten der Heidenwall-Bearbeitung sein dürfte, der mit seinen vielfältigen Beiträgen keinen einzigen Cent daran verdient, während andere durch die Grabung zusätzliche Einkünfte haben bzw. dadurch sogar zeitweilig neue Arbeitsplätze entstanden.)
Immerhin wurde mit Ausgrabung und fachlicher Dokumentation (unter anderem wiederum durch den Verfasser) das Allerschlimmste abgewendet: die Beseitigung des Kulturdenkmals ohne vorherige Untersuchung. Das ist durchaus ein nennenswerter Erfolg, an dem eine ganze Reihe aufgeschlossener Oldenbürger mitgewirkt haben. Hauptsächlich beruht er auf

  • Dr. Heinrich Munderlohs historischen Vorarbeiten,

  • Gerhard Stahns Einsatz und Organisationsgeschick,

  • Hans-Joachim Schatkes Flexibilität und Geschichtsinteresse,

  • sowie dem ausdauernden Engagement des Verfassers als Initiator und Verbindungsglied zwischen den Oldenburger Beteiligten.

In dieser Reihe wäre noch ein Platz zu vergeben für denjenigen, der Oldenburg das Geschichtsdenkmal der Heidenwall-Flur erhält, aber der wird möglicherweise unbesetzt bleiben.
 

Der Grabungsleiter Gerhard Stahn inmitten des Heidenwalls.
Ganz bewusst im Kolonialstil der Kaiserzeit fotografiert – angesichts der großen Grabungsausbeute.
Foto: Martin Teller, 29.6.2007.

* * *

Es geschehen noch Zeichen und Wunder: In der Bauausschußsitzung des Oldenburger Rates am 5.7.2007 wurde tatsächlich beschlossen, das Flurstück mit dem Heidenwall nicht zu überspülen und keinen Gewerbeparkplatz daraus zu machen! Die bereits der Spedition Schenker fest zugesagte Parzelle wurde in allerletzter Minute gegen ein benachbartes Grundstück getauscht. Die noch nicht abtransportierten Überreste des Heidenwalls werden vorerst zum Schutz unten mit feuchtigkeitshaltendem Klei und oben mit Sand überdeckt und können nach Bebauung der Nachbargrundstücke weiter untersucht werden. Auch wird überlegt, später den historischen Ort entsprechend seiner stadtgeschichtlichen Bedeutung mit einer Wallrekonstruktion auszustatten ...
All die Mühe war tatsächlich nicht umsonst, sondern stieß auf positive Resonanz! Den (meisten) Oldenburgern ist ihr kulturelles Erbe gar nicht gleichgültig. Die Vorschläge des Verfassers fanden vielfache Zustimmung. Zwar ist er keineswegs unbeteiligt an der letzten dramatischen Wende zum Positiven (siehe Briefe vom 29.6. und 2.7.2007) und darf den Erhalt der Parzelle durchaus als dritten großen Erfolg nach der Wiederentdeckung des Heidenwalls und der realisierten Ausgrabung verbuchen. Aber auch dies war wiederum nicht im Alleingang zu realisieren. Entgegen der Befürchtung kann die obige Erfolgsliste doch ergänzt werden, allerdings diesmal nicht mehr mit einem einzigen Namen. Zahlreich sind inzwischen diejenigen geworden, die eine Lanze für Oldenburger Geschichtskultur brechen. An herausgehobener Stelle zu nennen sind die Ratsfraktionen der Grünen mit dem Landtagsabgeordneten und Ratsherrn Ralf Briese, der FDP mit dem Ratsherrn und Fraktionsvorsitzenden Hans-Richard Schwartz, sowie der Linken mit dem Ratsherrn und Fraktionsvorsitzenden Hans-Hennig Adler, und außerdem der Oberbürgermeister Prof. Dr. Gerhard Schwandner, der in Umsetzung seines Wahlversprechens die kulturellen Belange Oldenburgs sichtlich fördert.
Zu nennen ist aber auch die Firma Schenker, die sich beim Grundstückstausch so flexibel gezeigt hat und geradezu erstaunlich aufgeschlossen gegenüber einem "weichen Standortfaktor" wie Geschichte. Man könnte tatsächlich beginnen, von Zeiten zu träumen, in denen generell Kultur in die Wirtschaft käme und Kultur wirtschaftlich würde, aber wir wollen doch mit beiden Beinen auf der Oldenburger Erde bleiben und hoffen, dass sie nicht überall so morastig ist wie unter dem Heidenwall.

"Ich bin an allem schuld!", meinte der Verfasser ironisch zu einem städtischen Dezernenten. Bei näherem Hinsehen kann das aber gar nicht sein. Denn wenn irgendwo etwas Großes geschaffen wurde, das sich hinterher niemand recht erklären kann, waren gewöhnlich Heiden und Riesen die Verursacher (siehe Namenserklärung des Heidenwalls). So war das Ganze denn auch eine Heidenarbeit für den Historiker und die Archäologen und ein Riesenerfolg für Stadt und Land Oldenburg.

 
Martin Teller, 1. und 7.7.2007

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Resonanz

Aus Bürgerschaft und Fachwelt erreichte den Verfasser z.T. bundesweit und v.a. in Oldenburg Freude und Dankbarkeit für die Wiederentdeckung des Oldenburger Heidenwalls sowie für die erfolgreiche Initiative zur Ausgrabung und Sicherung der historischen Burgparzelle. Darüber ist in der Presse und in Fachaufsätzen geschrieben und im Fernsehen berichtet worden, zumeist mit Erwähnung des Verfassers und seines wissenschaftlichen und kulturpolitischen Engagements.
Am 12. und 30.7.2007 erhielt er für seine Heidenwall-Rettungsinitiative offizielle Dankesschreiben des Niedersächsischen Ministers für Wissenschaft und Kultur, Lutz Stratmann, und des Oldenburger Oberbürgermeisters Prof. Dr. Gerd Schwandner (letzterer dankte noch in weiteren Schreiben).
Am 7. Oktober im Jahr 2009 ist der Verfasser für seine Forschungen, durch die er den Heidenwall wiederentdeckt hat, von der Stadt Oldenburg mit der Verleihung der Karl-Jaspers-Medaille geehrt worden.

17.11.2009

 


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