Reste
des Heidenwalls am Osthafen gefährdet
Einführung –
Information der Stadt Oldenburg –
Information der Bezirksarchäologie –
Lageplan –
Öffentlichkeitsinfo per Rundschreiben – Landschaftskarte –
Vorgeschichte der Ausgrabung – Luftbildaufnahmen
Sommer und
Herbst 2005 – Bedeutung für Oldenburg –
Ideen zur Denkmalpflege –
Erhalt des Heidenwalls
Im Zuge der Geländeaufspülung am
Oldenburger Osthafen für den IKEA-Neubau sind weitere Erdbauarbeiten bis
zum Hemmelsbäker Kanal geplant, die das wiederentdeckte originale
Flurstück des abgetragenen "Heidenwalles" beschädigen oder unter einer
Sandaufspülung begraben würden.
Mancher fachliche Fund, den
man als Historiker beim Spaziergang durch Schriftquellen und Natur
macht, wird einem – nach anfänglicher Entdeckerfreude – selbst etwas
lästig. Manchmal muss man sich damit nämlich intensiver
beschäftigen, als einem aus organisatorischen Gründen lieb ist.
Oder man engagiert sich für dessen Schutz, ohne des Erfolges und der Wertschätzung
dafür
überhaupt sicher sein zu können. So auch im Zusammenhang mit der IKEA-Ansiedlung, in deren Umfeld ein historischer Aspekt zutage trat,
der bis jetzt weitgehend unbekannt war (und den der Verfasser gerne noch
ein wenig ruhen gelassen hätte, wenn nicht die geplanten
Geländeveränderungen in Nachbarschaft der IKEA-Baustelle zur
Veröffentlichung drängten).
Wie der Überschrift zu
entnehmen ist, handelt es sich um ein erhaltenswertes
Relikt aus Oldenburgs ältester Siedlungslandschaft.
"Welche Reste des Heidenwalls"?, wird sich sicher so
mancher spontan gefragt haben. Tatsächlich ist nicht
mehr viel davon zu erkennen, aber sein Ort ist entgegen
landläufiger Meinung noch vorhanden. Lesen Sie dazu
Punkt 3. des folgenden Schreibens vom 12.1.2007, das an
Herrn Robert Sprenger gerichtet war, den Leiter des städtischen
Fachdienstes Naturschutz und technischer Umweltschutz
in Oldenburg, nachdem dieser auf eine
erste Information des Verfassers geantwortet hatte:
"[...] Das [IKEA-]Areal wird in den nächsten Monaten
aufgespült. Wann und ob die übrigen Flächen zwischen
Hemmelsbäker Kanal, Hunte, Werrastraße und Holler
Landstraße aufgehöht werden, kann [ich] Ihnen zuzeit
leider nicht mitteilen. Sicher ist, dass dies dann
geschehen wird, wenn es Interessenten für die
entsprechenden (Gewerbe)Grundstücke gibt. [...]"
Der kürzeste Weg zum historischen
Platz des sogenannten Heidenwalls: von der Holler
Landstraße den Deich am Hemmelsbäker Kanal entlang nach
Norden, hinten jenseits des Kanals unter den hohen
Bäumen die Huntehalbinsel mit dem Wasser- und
Schiffahrtsamt. Der Heidenwall bzw. seine Grundfläche
liegt zwischen Deich und Gebüschgruppe rechts der
Deichkurve in der hinteren Bildmitte. Foto: Martin
Teller, 30.10.2005 (FA-XXVIII2).
Kulturschutz am
Osthafen; in Antwort auf Ihre Mail vom
10.1.2007
Es freut mich,
dass Ihnen der Aufsatz
Deiche um
IKEA gefällt. Die Homepage wird in
unregelmäßigen Abständen um weitere Beiträge
und Informationsmittel zur Geschichte nicht
nur der Stadt Oldenburg sondern des ganzen
Oldenburger Landes ergänzt. Mein fachlicher
Arbeitsschwerpunkt Siedlungs- und
Landschaftsgeschichte bringt besondere
Aufmerksamkeit gegenüber modernen Gelände-
und Gebäudeveränderungen mit sich. Dadurch
kann ich wie bei der
Schloßplatz-Diskussion in Gegensatz zu
offiziellen städtischen Positionen kommen,
was mich wegen rein wissenschaftlicher
Intention stört, da es im Sinne des
Kulturschutzes viel zweckmäßiger wäre, wenn
Politiker, Verwaltungskräfte und Fachleute
historischer Berufsfelder sowie
Naturschützer an einem Strang ziehen würden.
1. Mir ist
bekannt, dass das betreffende Gelände als
Gewerbegebiet ausgewiesen ist, und ich
gehöre zur sicherlich großen Mehrheit der
Oldenburger, welche die IKEA-Ansiedlung
persönlich begrüßen. Hinsichtlich des
Landschaftsverbrauchs schrieb ich schon
Herrn Krogmann, dass ich trotz fachlicher
Sichtweise in dieser Sache Kompromisse für
unvermeidbar halte. Kompromisse kann man
aber nicht alleine eingehen. Daher möchte
ich die zuständigen städtischen Stellen
bitten, so schonend wie möglich mit dem
Graben zum Kleinenfelder Siel umzugehen.
Immerhin handelt es sich streckenweise um
den Rest eines alten Huntearmes und damit um
ein historisch relevantes Relikt der
Naturlandschaft. Das wäre gewiß auch ganz im
Sinne der Umweltverbände.
2. Meine
entsprechenden Namensvorschläge für dortige
Planstraßen gehen die Sache von der anderen
Seite an: Nicht Erhalt des Bestehenden
sondern Erinnerung an Gewesenes. Die Stadt
hat sich offiziell zur Maxime gemacht, bei
neu zu vergebenden Straßenbezeichnungen
zuerst an alte Flurnamen und
lokalgeschichtliche Ereignisse zu erinnern,
doch in jüngerer Vergangenheit ist diese Art
von Kulturschutz oft vernachlässigt worden.
Ich appelliere an alle Zuständigen, hier
weder allzu gängige willkürliche Flußnamen
wie in der Nachbarschaft zu verwenden, noch
mit der Benennung eine unangebrachte (und
zuweilen kurzlebige) Investorenreklame zu
betreiben, etwa im Sinne von "IKEA-Straße".
(Den Elchweg gibt es zum Glück in Oldenburg
schon.) Wie in meinem
Artikel
dargestellt, existieren hier mehrere
originäre und zum Teil sehr alte Flurnamen,
deren wichtigste Wesenbrok und
Kleines Feld sind. Zumindest eine
Wesenbrok-Straße (analog zu Ellernbrok usw.)
sollte bei allen Oldenburgern, die an einem
individuell stimmigen Gesamtbild ihrer Stadt
interessiert sind, auf Zustimmung stoßen.
3. Noch
wichtiger wäre in diesem Gelände der Schutz
eines historischen Ortes, über dessen Rolle
innerhalb der Siedlungsgeschichte Oldenburgs
bzw. der Stadtteilgeschichten von
Donnerschwee und Osternburg/Drielake nur
wenig bekannt ist: der sogenannte
Heidenwall, eine kleine
frühgeschichtliche Wallburg am Hunteufer.
Das Wissen um seine genaue Lage ist
innerhalb der Bevölkerung weitgehend
untergegangen. Allgemein bekannt war nur
noch, dass die Wälle abgetragen wurden. In
jüngerer Zeit hat sich bislang Dr. Heinrich
Munderloh (Die Bauerschaft Donnerschwee)
am genauesten damit beschäftigt, irrt aber
in einigen Lagedetails und geht auch
fälschlich vom völligen Verschwinden der
Walles und seiner Parzelle aus. Bei der Beschäftigung mit
benachbarten Fluren bin ich wieder auf den
Heidenwall aufmerksam geworden und konnte
anhand mehrerer Quellen seine Lage in der
heutigen Landschaft eindeutig
identifizieren. Zwar ist der alte Wall
tatsächlich bis auf immerhin eine kleine
Bodendelle abgetragen (die Heimatautor Emil Pleitner noch kannte), sein Standort selbst
ist aber noch weitgehend vorhanden. Nach
einem Gespräch mit dem Bezirksarchäologen
Dr. Jörg Eckert werde ich außer der
historischen und landschaftsgeschichtlichen
auch die archäologische Relevanz des Ortes
einschätzen können. Auch wenn dort
vielleicht keine Bodenfunde mehr zu erwarten
sind, wäre es meines Erachtens eine
wissenschaftliche und geschichtspflegerische
Notwendigkeit, die Stätte in situ zu
erhalten – und geradezu eine Schande für die
Stadt, wenn man diesen historischen Ort
einfach verschütten und mit Gewerbegebäuden
überbauen würde.
Da es sich bei dem Platz des Heidenwalls
inklusive eines zugehörigen Grabenstücks nur
um eine verhältnismäßig kleine Stelle von
ca. 50 mal 100 Metern handelt, die zudem
glücklicherweise auch noch am Rande des
Geländes und ohnehin parallel im Bereich des
zu schützenden Deichfußes liegt, sollte
ihrer Herausnahme aus der geplanten
Gewerbegebietserweiterung nichts im Wege
stehen (etwa nach Art des Grünstreifens
zwischen Osthafen und Blankenburger Holz).
Dies würde den Oldenburger Stadtraum um
einen fast vergessenen aber um so
interessanteren Geschichtsort reicher machen
und eventuellen zukünftigen
Forschungsmethoden hier alle Möglichkeiten
lassen. Natürlich dürfte der Ort nicht
wesentlich umgestaltet werden, die
derzeitige Rasenfläche ist der beste Schutz.
Einige Sitzbänke und eine geschichtliche
Informationstafel ließen sich aber
aufstellen. Die Stadt wird ohnehin
Ausgleichsflächen für die überbauten Wiesen
und Grabenteile durch gliedernde Grünzüge
einplanen. Sie könnte sich mit deren Verlauf
an den hiesigen Hinweisen orientieren und
dadurch den Heidenwall-Platz und wenigstens
Teile des Kleinenfelder Grabens schützen,
ohne die gewerbliche Nutzung des Geländes zu
beeinträchtigen. Ich beabsichtige, die
Lokalität bei Gelegenheit in einem
Fachaufsatz genauer zu behandeln und wäre
vorab bereit, mit städtischen Vertretern
eine Ortsbegehung vorzunehmen.
Sich in erster
Linie als Sachwalter historischer Belange zu
verstehen schließt nicht aus, um
Nutzungskonzepte bemüht zu sein, die
möglichst vielen gesellschaftlichen Gruppen
dienen. In diesem Fall wäre ohne große Mühen
und Kosten etwas für Wissenschaft und
Stadtkultur getan, und umweltbewußte Bürger
und Naturliebhaber, denen es um die weiten
Wiesen leid tut, hätten zumindest einen
kleinen Ausgleich. Ein großartiger Bauplatz
ginge der Wirtschaft dadurch gewiß nicht
verloren, und finanzielle Verluste für die
Stadt wären ernsthaft nicht zu erwarten.
Bitte
informieren Sie alle relevanten städtischen
Stellen über meine Stellungnahme. Ich selbst
werde Kopien dieses Schreibens an Dritte
weitergeben.
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Mit den "Dritten" habe ich außer an Politik und
Bürgervereine vor allem an Fachleute gedacht, denen die
historische Bedeutung des Heidenwalls bewußt sein
sollte, auch wenn ihnen sein genauer Standort
offensichtlich nicht mehr bekannt ist (da sie nicht
ihrerseits zum vorsichtigen Umgang mit dem Flurstück
mahnen). Am 13. Januar, einen Tag nach dem obigen
Schreiben an die Stadt, nahm ich
per Brief Kontakt zum Bezirksarchäologen Dr. Eckert
auf. Am 29.1., drei Tage vor seiner Pensionierung,
konnte ich ihn erstmals telefonisch erreichen. Da seine
Nachfolge noch nicht geklärt ist und er kommissarisch im
Amt bleibt, will er sich der Sache später widmen, wenn
er wieder mehr Zeit hat. Ein früherer Versuch
seinerseits, den Heidenwall mit Hilfe der Oldenburger
Vogteikarte zu lokalisieren, habe nichts erbracht. –
Mit älteren Quellen ist das aber möglich, wie Munderloh
bewiesen hat.
Lage des ehemaligen Heidenwalls am
Oldenburger Osthafen, wie sie der Verfasser im
Abgleich mit historischen Karten identifiziert hat. Die
kleine Stelle einschließlich des benachbarten Grabens
liegt genau in der engen Kurve des Deiches und wäre
leicht in einen schützenden Grünstreifen zu integrieren.
Für einen vergrößerten Ausschnitt Karte anklicken.
Falls zukünftig auch das
Gelände südlich der Holler Landstraße zwischen
Hemmelsbäker Kanal und Wald/Hofgrundstück bebaut würde,
das derzeit im Zuge der Bauarbeiten zur Ablagerung von
Erde genutzt wird, wäre eine dortige Straße ergänzend zu
den genannten Vorschlägen passenderweise Drielaker Brok
zu taufen (= einstiger Drielaker Sumpfwald, ähnlich den
Wäldern um den Hemmelsbäker Kanal; ein Doppel-o im Namen
wäre unnötig). Dieser alte Flurname ist immer noch in
modernen Karten eingetragen, wie der obige Ausschnitt
zeigt.
Die historische Stätte des Heidenwalls
bei Oldenburg-Drielake, begrenzt vom Deich des
Hemmelsbäker Kanals (vorne), vom Deichs am alten
Huntearm (links), von einem baum- und gebüschbestandenen
Grabenzug (rechts vorne bis zu den zwei kleinen Bäumen
in der rechten Bildmitte), und einer Bodendelle in der
Wiese (Bildmitte hinten, von den zwei Bäumen bis links
hinter die Deichkurve). Blick nach Osten, ganz im
Hintergrund die heutige IKEA-Fläche. Foto: Martin
Teller, 30.10.2005 (FA-XXVIII7).
Kürzlich wurde auch das
übrige von IKEA noch nicht betroffene Gelände bis zum
Hemmelsbäker Kanal ausgemessen. Dabei wurden einige
Vermessungspflöcke sehr nahe an den westlichen Rand des
Heidenwall-Platzes geschlagen, im östlichen Randbereich
führen einige Markierungen sogar quer hindurch! Es hat
den Anschein, als sollte die Stelle wie befürchtet
teilweise durch Überbauung zerstört und teilweise durch
enge Grenzziehungen zu benachbarten Gewerbegrundstücken
in Mitleidenschaft gezogen werden. Mit einer leichten
Änderung der offenbar derzeit vorbereiteten Pläne und
etwas gutem Willen seitens der Verantwortlichen wäre die
Zerstörung des historischen Platzes aber noch problemlos
zu verhindern. Auch wenn nur sehr wenig über ihn bekannt
ist und auf den ersten Blick nichts mehr zu
erkennen ist, gehört der Ort des Heidenwalls doch
zweifellos zu den ältesten und geheimnisvollsten Geschichtsstätten der Stadt Oldenburg
und sollte als landschaftshistorisches Zeugnis für
Gegenwart und Nachwelt erhalten bleiben.
Die östliche Grenze des ehemaligen
Heidenwalls ist wohl an einer bogenförmigen, wenige
Dezimeter hohen Bodenwelle auszumachen, die sich hier
vom Graben (rechts) zum Huntedeich (links) mittig durchs
Bild zieht. Der Verfasser steht auf dem nur wenige Fuß
breiten Ringstück, das sich durch dunkelgrünes üppig
wachsendes Wiesengras von dem gelblichem Gras in der
Senke davor unterscheidet. Vgl. rechts die Position der
beiden kleinen Bäume mit der vorherigen Aufnahme. Foto:
Gunter Teller, 30.10.2005 (FF-XI12).
Bis jetzt hat der
Verfasser städtischerseits keine Reaktion auf obigen Appell zum
Kulturschutz erhalten, die städtischen Vermessungen sowie die
Ankündigung, die Flächen ganz überspülen zu wollen, sprechen allerdings eine
eindeutige Sprache. Angesichts der zahllosen Erfahrungen
von fahrlässigem Umgang mit historischen Stätten in
Oldenburg ist die Chance, dass rechtzeitig etwas getan (bzw.
unterlassen) wird, zweifelsohne nicht sonderlich groß.
Eigentlich sollte man sich über die Wiederentdeckung der
Wallfläche freuen dürfen. Stattdessen wird aber wohl nur ein
weiterer verlorener Geschichtsort geschaffen,
dessen Zerstörung dann noch nach Jahrzehnten betrauert
werden muss. Jedenfalls können die Verantwortlichen bei
der Stadt, die vom Verfasser mehrfach schriftlich seit
dem 2. Januar 2007 informiert wurden, nicht behaupten,
sie hätten nichts von alldem wissen können. Sie und alle
informierten Bürger haben es in der Hand, hieraus ein weiteres trauriges
Kapitel Oldenburger Geschichtsvergessenheit zu machen,
oder endlich einmal eine Erfolgs-Geschichte (im wahrsten
Sinne des Wortes). * * *
Nach der
Publizierung der obigen Information wurde per nachfolgend
wiedergegebenem Rundschreiben vom 15.2.2007 (Mails und Briefe) der
Versuch unternommen, den unten angegebenen Personenkreis direkt zu
erreichen, der zum Schutz der Heidenwall-Parzelle beitragen könnte (wg.
technischer Übertragungsprobleme am 17.2. teilweise wiederholt).
Einer der Adressaten hat daraufhin von sich aus zusätzlich die untere
Denkmalschutzbehörde informiert. In dem Zusammenhang sei nochmals
dargelegt, dass der Heidenwall selbst bis auf wohl den spärlichen Rest
eines kleinen Ringstücks ganz abgetragen ist und archäologische Funde
nicht unbedingt zu erwarten wären, vielleicht nicht einmal Befunde
(Bodenveränderungen). Das eigentliche schützenswerte Denkmal ist das
historische Flurstück selbst, das einst den Wall trug und abgesehen von
kleinen Abbrüchen am Westrand durch den Bau des Hemmelsbäker Kanals dank
des südlichen Grabenzuges auf kleiner Grundfläche die
Landschaftsverhältnisse des Früh- bis Hochmittelalters konserviert hat.
Der Wall ist weg, aber sein Ort ist noch da!
Reste des Heidenwalls am Osthafen
gefährdet
Schon seit längerer Zeit beobachte ich aus
fachhistorischem Blickwinkel die Gegend zwischen Donnerschwee und
Drielake-Blankenburg und im Zusammenhang mit der IKEA-Ansiedlung
besonders das Gelände am Osthafen. Dabei habe ich nach Spuren des
einstigen wohl frühmittelalterlichen Heidenwalles gesucht und zu
meiner eigenen Überraschung mehr von seinem ursprünglichen Standort
entdeckt, als mir bislang aus fachlichen Publikationen bekannt war. Weil
ich der Auffassung bin, dass dieser historische Ort auf keinen Fall in
einem Gewerbegebiet untergehen sollte, habe ich mich bereits am 2.
Januar dieses Jahres gegenüber der Verwaltung der Stadt Oldenburg dafür
eingesetzt, das kleine Flurstück vor gravierenden Bodenveränderungen zu
schützen. Dies habe ich bis Mitte Januar im Schriftwechsel mit einigen
städtischen Bediensteten noch präzisiert, worüber auch der [de facto] amtierende
Bezirksarchäologe informiert ist.
Eigentlich sollte die Stadt also die
Sachlage kennen, zumal ich mich angeboten hatte, mit städtischen
Vertretern eine Ortsbegehung vorzunehmen, was aber ohne Resonanz blieb.
Kürzlich eingeschlagene Vermessungspflöcke quer durch das Gelände lassen
befürchten, dass die Information möglicherweise doch nicht die
relevanten Stellen erreicht hat, obwohl ich um Weitergabe der
entsprechenden Hinweise bat. Deshalb möchte ich mit diesem Schreiben
nochmals darüber aufklären, wobei zu betonen ist, dass dies wie stets
eine rein fachliche und keine parteipolitische Initiative ist, denn der
betreffende Geschichtsort gehört allen Bürgern und nicht nur einer
einzelnen Gruppe.
Ein Schutz des Heidenwall-Ortes sollte bei
ein wenig gutem Willen eigentlich problemlos (und kostenneutral) möglich
sein, da das kleine Gelände am äußersten Rand des
Osthafen-Erweiterungsgebietes liegt, noch dazu im Bereich des
Deichfußes, dessen Zone in einer Kurve besonders breit ist. Man müßte
lediglich mit den Grenzen der geplanten Gewerbegrundstücke wenige Meter
weiter wegrücken und dieses Flurstück nicht überspülen, darin den
angrenzenden landschaftshistorisch dazugehörenden Graben einschließen
und (zum Bodenschutz) die daranstehenden niedrigen Gehölze erhalten,
einschließlich zweier etwas entfernt befindlicher kleiner Bäume.
Am Ort ist durchaus nichts Spektakuläres zu
sehen außer einer kleinen Bodendelle und der überkommenen Flurform des
Heidenwall-Grundstücks, und bei einer eventuellen archäologischen
Grabung wären wohl auch keine aufsehenerregenden Funde zu erwarten.
Dennoch handelt es sich um eine originale Geschichtsstätte, mit denen
wir in Oldenburg bislang bekanntlich nicht sehr pfleglich umgegangen
sind. Die im stadtoldenburger Rahmen siedlungshistorische Sensation
liegt in der Tatsache, dass das historische Flurstück des Heidenwalls
entgegen bisheriger Annahme so gut wie vollständig erhalten und auch der
Graben noch vorhanden ist, der den Rest eines alten Huntenebenarmes
darstellt.
Nähere Informationen zur Örtlichkeit des
Heidenwalls inklusive Fotos und einer Karte finden Sie auf meiner
fachlichen Homepage www.Stadt-Land-Oldenburg.de unter
Historienspiegel/Reflexionen 5 [hier, s.o.]. Beachten Sie bitte in
diesem Zusammenhang auch meine offiziellen historisch-landschaftlichen
passenden Straßennamensvorschläge Wesenbrok, ggf. noch Im
Kleinen Felde, für das Gelände nördlich der Holler Landstraße und
Drielaker Brok für die Gegend südlich davon. Die Stadt hat sich zur
Maxime gemacht und in einer Satzung festgeschrieben, bei
Straßenbenennungen alten Flurnamen Priorität einzuräumen.
Außer den Bezirksarchäologen Dr. Eckert
habe ich auch den Oberbürgermeister Prof. Dr. Schwandner, sämtliche
Ratsfraktionen der Stadt, mehrere zuständige städtische Ämter, die
umliegenden Bürgervereine und die örtliche Presse informiert. Nun kann
kein Ratspolitiker, kein städtischer Bediensteter und kein Bürger
behaupten, nichts gewußt zu haben oder nicht rechtzeitig informiert
worden zu sein. Mehr kann ich als einzelner Bürger in dieser Sache nicht
tun. Man kann nur auf Interesse gegenüber der örtlichen Geschichte und
grundsätzliche Aufgeschlossenheit für Kulturangelegenheiten hoffen.
Demgegenüber sollten einige Quadratmeter Gewerbegrundstück angesichts
der großen Erweiterungsflächen doch eigentlich nicht ins Gewicht fallen.
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Martin Teller, 14. und 17.2.2007 |
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* * *
Archäologische Grabung
auf dem Heidenwall-Gelände
Vier Monate später hat sich herausgestellt,
dass oben geäußerte Ansichten bzw. Befürchtungen in zwei wesentlichen
Punkten glücklicherweise nicht zutrafen:
1. Die historische Flurparzelle ist noch da – der Wall in Resten
aber auch! Man äußert sich in der Wissenschaft grundsätzlich vorsichtig,
gelegentlich zu vorsichtig. Nun haben Historiker zwar manchmal einen
Adlerblick, Röntgenaugen aber nicht. Wie hätte man wissen können, dass
der nach Quellenlage und Anschauung fast gänzlich abgetragene Wall
unterirdisch doch noch existierte?
2. Die Heidenwall-Sache ist nicht in offiziellem Desinteresse versandet,
ganz im Gegenteil. Die unterschiedliche Resonanz bei Fachleuten,
Politikern, Stadtverwaltung, Bevölkerung und Medien ist bisher
schätzungsweise zu mindestens 75% positiv. Das führte tatsächlich zu
einer archäologischen Untersuchung des Geländes. Um obiges Wort
aufzugreifen: Der Heidenwall wird im großen und ganzen tatsächlich eine
Erfolgs-Geschichte der Stadt Oldenburg, die der Verfasser angestoßen und
wesentlich mitgeschrieben hat.
Skizze der Kulturlandschaft mit archäologischem
Grabungsgelände am Oldenburger Heidenwall (Deutsche Grundkarten
1:5.000 Nr. 2815 und 2816, mit unmaßstäblichen thematischen Einträgen
bearbeitet von Martin Teller, Juni 2007)
Kulturlandschaft: Der Hemmelsbäker Kanal
mündet in seinem Unterlauf gebogen in das hier 1894 begradigte
Huntebett. Damit folgt er dem Ostteil einer
früheren Hunteschleife, die wegen des dort stationierten
Flussbaggers auch Baggerhafen genannt wird. In den verlandeten
Westteil wurde Mitte der 1970er Jahre das Hafenbecken der ehemaligen
Brandswerft gegraben. Die Hunte besaß hier (in ungefährer Lage
eingezeichnet) einen südlichen Nebenarm,
der im Spätmittelalter Broksfleth
und im 19. Jahrhundert Wesenfleth
genannt wurde. In den Hauptarm mündete er flussabwärts bei der heutigen
Kaimauer des Osthafens an der Werrastraße. Im Westen muss er Anschluss
an den dortigen Huntebogen gehabt haben, wo sein Verlauf offensichtlich
von einem Wiesengraben nachgezeichnet wird,
der in seinem Westteil (blaue Unterlegung) eine seit dem 18. Jahrhundert
nachweisbare doch sehr wahrscheinlich viel ältere Flur- und
Bauerschaftsgrenze bildet, in seinem Ostteil aber schon bis Mitte des
19. Jahrhunderts begradigt wurde (schwarzes Stück).
Zur selben Zeit wenigstens teilweise begradigt wurde der im 20.
Jahrhundert ganz abgetragene Poggendeich,
der das Wesenfleth von Süden her einfasste und zusammen mit diesem die
zur Bauerschaft Donnerschwee gehörende Flur
Wesenbrok von der östlich liegenden Flur Kleines Feld
abgrenzte, die zur Gemarkung des Klosters Blankenburg gehörte (vgl.
Beitrag Deiche um IKEA). Durch
den Kreis gekennzeichnet wird der Heidenwall
genannte frühmittelalterliche Ringwall mit seinem
in der Wiese freigelegten Stück und seinem
unter dem Deich liegenden bzw. mit einem vor 1760
erodierten und bei
Uferbefestigungsarbeiten abgetragenen
Stück. Die östlich davon im Geländeprofil und in Bodenschichten
nachweisbare Vertiefung wird ein Teil des Wesenfleths und somit ein
natürlicher Flussarm mit Querarm zum alten
Huntebogen sein, der zugleich als Verteidigungsgraben diente.
Entsprechend wird ein (nicht eingezeichneter) ähnlicher Bodenbefund
westlich des Ringes ein Teil des einst hier beginnenden Wesenfleths
sein.
Moderne Grabungen: Nachgewiesen wurden diese landschaftshistorischen
Informationen durch den Verfasser aus Schrift- und Kartenquellen
mehrerer Jahrhunderte und durch sich daran orientierende archäologische
bzw. bautechnische Grabungen. Die roten Linien
mit w.S. = westlicher Schnitt und
ö.S. = östlicher Schnitt zeigen die
ungefähre Position der archäologischen Suchgräben
zu Grabungsbeginn, die mit kleinem Bagger und durch Handarbeit angelegt
wurden. Anschließend wurde die Oberfläche des
gelb
gefärbten Bereichs mit großem Bagger abgegraben und die
darin befindlichen Reste der Ringwallstruktur von Hand freigelegt. Auf
Wunsch der Grabungsbeteiligten zog die mit der Geländeaufspülung
betraute Baufirma parallel südlich zum Wiesengraben einen
großen Baggergraben, der in seinem Ostteil
(auf Höhe der nördlich zurückweichenden Höhenlinie von 1,50 m)
eindeutige und im Westen weniger klar strukturierte Nachweise von
Flußsedimentation und damit eines alten Huntearms enthält. Das
Baggerloch wiederum südlich davon, eine
rein technische Bodenprüfmaßnahme der Baufirma, enthielt nur noch
vermoorten Bruchwald unter einer Schicht jüngerer
Flussmarsch-Überschwemmungsablagerungen und lag somit außerhalb des
archäologisch relevanten Grabungsbereichs.
Zur Chronologie der Grabungsvorgeschichte
Es gab gute Gründe, das Wissen um Existenz
und Lage der Heidenwall-Parzelle jahrelang zu verschweigen und nur ab
und zu nachzuschauen, ob das Gras darüber auch schön dicht wächst. Die
Sache eilte ja nicht. Das betreffende Flurstück lag in einer
Wiesenlandschaft am Rande der städtischen Bebauung, und wenn es
jahrhundertelang Beweidung, gelegentliche Überschwemmung und sogar
randlichen Deichbau überstanden hatte, dann tat es das auch weiterhin.
Dazu gehörte das ganze Gelände zwischen Holler Landstraße und
Werrastraße einer vor wenigen Jahren verstorbenen alten Dame, die diese
grüne Weite liebte und daher nicht zur Bebauung verkaufen wollte.
Außerdem wäre, wer die personenzahlmäßige, finanzielle und materielle
Ausstattung der regionalwissenschaftlich so wichtigen Bezirksarchäologie
kannte, nicht auf die Idee gekommen, die Kollegen der grabenden Zunft
ohne Not mit einer weiteren Ausgrabung zu belasten. Wenn der Ort bekannt
geworden wäre, ohne dass es zugleich eine archäologische Untersuchung
gegeben hätte, wären wie man sich leicht vorstellen kann im Laufe der
Zeit gewiss Raubgräber darüber hergefallen, von mutwilligen Zerstörungen
durch Neugierige ganz zu schweigen.
Der Verfasser hat die ungefähre Heidenwall-Position schon seit
1997 nach Lektüre von Dr. Heinrich
Munderlohs 1982 erschienen
heimatgeschichtlichem Buch über Donnerschwee gekannt. In einem anderen
Zusammenhang hatte ihm Geschichtsprofessor Dr. Heinrich Schmidt ein Buch
über das Kloster Blankenburg zur Lektüre empfohlen (Tornow/Wöbcken:
700 Jahre Kloster Blankenburg zu Oldenburg, Oldenburg 1994), das
maßstabsgetreue Karten aus dem 18. Jahrhundert enthält, in denen der
„Heydenwall“ nicht nur eingezeichnet sondern auch namentlich erwähnt
ist. Über einen sorgfältigen Abgleich mit jüngeren historischen, älteren
modernen und ganz aktuellen Karten, in der Fachsprache
„Flurrückschreibung“ genannt, konnte seit 2004
die Position des Heidenwalls noch exakter als bei Munderloh bestimmt
werden, der den Wall etwas zu weit westlich verortet. Dieses Bild runden
recherchierte Schriftquellen vom 15. bis 20. Jahrhundert ab, die
Munderloh, wie wohl schon jene Karten, gekannt haben könnte aber
größtenteils ungenannt ließ. Wegen der kartographischen Namensnennung
verbunden mit exakter Lokalisierung kann entgegen aller sonstigen
Zurückhaltung definitiv festgestellt werden, dass der nun ausgegrabene
Ringwall der langverschollene Heidenwall sein muß.
Satellitenaufnahme der weiteren Heidenwall-Umgebung
zwischen Holler Landstraße, Hemmelsbäker Kanal und Hunte vor
Überbauung mit dem erweiterten Osthafen-Gewerbegebiet. Aus Google-Earth,
Stand von Sommer 2005 (vgl. obige vom Boden aufgenommene Fotos vom
Herbst desselben Jahres). Erhalten von Dr. Hans-Wilhelm Heine,
Burgenforscher beim Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege in
Hannover.
Die Lage des Heidenwall-Halbrunds im Deichbogen des Hemmelsbäker Kanals
zeichnet sich deutlich unter der Wiesenoberfläche ab. Siehe dazu auch
nach Anklicken des Fotos den vergrößerten Ausschnitt aus demselben
Google-Luftbild, erhalten von Oliver Scheuch, Oldenburg.
(Hinweis von Google auf das
Copyright von Screenshots gemäß Wikipedia: Ein persönlicher Gebrauch
von Screenshots ist auf der eigenen Homepage, in Blogs oder in
Dokumenten bei Quellennennung erlaubt, jede kommerzielle Nutzung bedarf
aber einer Genehmigung. – Diese Vorgaben des Bildeigentümers stehen in
völliger Übereinstimmung mit hiesiger Netzpräsenz, die nicht
kommerzielle sondern fachhistorische Inhalte und Ziele hat, was das
ordentliche Zitieren vollständiger Quellenangaben einschließt.)
Gestört wurde die Idylle der vor sich
hinschlummernden Heidenwall-Flur aus Sicht des Verfassers erstmals am
8.3.2006, als die Öffentlichkeit über
Pressemeldungen von dem endgültigen Platz der IKEA-Ansiedlung erfuhr,
der nun westlich statt wie bisher geplant östlich der Werrastraße liegen
sollte. Dadurch war sofort klar, dass die Lage des Heidenwalls nicht
mehr sehr lange verschwiegen werden könnte, auch wenn die
Bebauungsgrenzen der in den Zeitungen vorgestellten IKEA-Lagepläne noch
deutlich vom Heidenwall entfernt blieben. Zur Annäherung an das
siedlungsgeschichtliche Thema entstand auf hiesiger Homepage bis zum
10.3. zunächst nur ein kleiner
Artikel über historische Deiche
im Umfeld des Bebauungsgebietes, worin der Heidenwall einmal vorsichtig
erwähnt wurde (allerdings mit genauen Datumsangaben, die eine längst
erfolgte Recherche verraten).
Nachdem sich
im Laufe des Jahres 2006 die
Bauvorbereitungen immer konkreter abzeichneten und zudem in der Presse
angekündigt wurde, das Gewerbegebiet über IKEA hinaus auszuweiten, sah
sich der Verfasser gedrängt, am 2.1.2007
bei der Stadt Oldenburg nachzufragen, ob der historische Ort betroffen
sei. Die Antworten vom 9. und
10.1. fielen so beunruhigend aus, dass
gegenüber der Stadt nun erstmals mit konkreteren Informationen u.a. über
den Heidenwall bzw. notwendig werdenden „Kulturschutz am Osthafen“
nachgesetzt werden musste, wie ganz zu Anfang des Beitrags dargestellt.
Der Mail- und Briefverkehr mit den Behörden zog sich bis
Mitte Januar hin, da sich städtischerseits
anfangs offenbar niemand zuständig fühlte. Eine Antwort konnte
schließlich durch direkte Adressierung an eine konkret bekannte
Einzelperson erreicht werden, wonach sich dann, wohl von sich aus, noch
eine zweite Amtsperson einschaltete.
Der
Verfasser verblieb in offenbar zu optimistischer Hoffnung, die
stadtgeschichtliche Bedeutung des Schreibens werde verstanden und als
Information eines fachkundigen Bürgers wie erbeten auch tatsächlich an
„alle relevanten städtischen Stellen“ weitergegeben. Bezüglich
Kulturberatung gab es vielleicht keine, aber als sich bis Mitte Februar
überhaupt keine Reaktion zeigte, blieb nichts anderes übrig, als mit
einem Informationsrundschreiben nochmals nachzusetzen, es am
14.2. hier ins Netz zu stellen und am
15.2. per
Brief und Mail an zuständige Ratsfraktionen, Verwaltungsstellen,
Bürgervereine und einzelne Bürger zu schicken (aus technischen Gründen –
manche Mails waren fehlerhaft übermittelt – am
17.2. z.T. wiederholt).
Es würde den
gesetzten Rahmen sprengen, wenn im folgenden detailliert aufgeführt
werden sollte, bei welchen Verwaltungs- und Gesellschaftsinstitutionen
sowie einzelnen ihrer Vertreter der Verfasser sein Anliegen seither
vorgestellt (genauer: sich darüber die Finger wund getippt und den Mund
fusselig geredet) hat. Die Resonanz war zunächst äußerst dürftig. Von
den meisten Stellen wurde man (bis heute) irgendeiner Antwort nicht für
würdig befunden. Das offizielle Oldenburg zeigte sich anfangs
bemerkenswert desinteressiert an kulturellen Stadtbelangen bzw. an
Anliegen von Privatbürgern, als der der Verfasser nur in Erscheinung
treten konnte, auch wenn die historische Ringwallanlage ein öffentliches
Kulturgut ist. – Was auch erklärt, warum der möglicherweise bis zu 700 Jahre alte
Klosterdeich am Kleinen Felde westlich der Werrastraße (vgl.
Karte beim IKEA-Artikel) in aller
Stille abgegraben wurde, ohne dass die Archäologie darüber informiert
wurde und ihn hätte untersuchen können. Man muß sich vor Augen halten,
dass die Stadt Oldenburg nicht nur Baubehörden hat sondern zugleich
Untere Denkmalschutzbehörde ist, was aber wenig nützt, wenn dieser
offenbar Zügel angelegt werden! Dabei wäre es auch nach Aussage von
Fachleuten der Baufirma, welche die Erdarbeiten durchführte, besser
gewesen, den Deich einfach stehenzulassen und nur neues Erdreich
anzuschütten, da er u. a. mit historischem Ziegelmaterial „kontaminiert“
gewesen sei, dessen Beseitigung große Mühen und Kosten verursache.
Doch es gab durchaus auch positive Rückmeldungen, etwa seitens des
Stadtarchivars Claus Ahrens. Gerade umweltnahe Parteien und
Persönlichkeiten bewiesen in dieser Sache großes Engagement, ganz
besonders Ratsfrau Alexandra Reith. Dazu kamen gewisse Rückmeldungen aus
dem Umkreis des Baudezernats, vereinzelt sogar sehr aufgeschlossene. Vor
allem interessierten sich zahlreiche Privatbürger für den Schutz des
Heidenwalls, deren Zustimmung sehr aufmunternd war.
Kleinerer Schnitt einer weiteren
Heidenwall-Satellitenaufnahme. Aus Google-Earth, Stand von Spätsommer
2005, Rechtsinfos siehe oben. (Vgl.
obige vom Boden aufgenommene Fotos vom Herbst desselben Jahres.)
Bezugsquellen wie beim Foto zuvor, ebenso der vergrößerte Ausschnitt aus
demselben Google-Luftbild, der nach Anklicken aufgerufen wird. Im
sonnenverdorrten Gras ist der Heidenwall-Bogen noch klarer zu erkennen
als im frischen Wiesengrün. Wie auch beim vorherigen Foto handelt es
sich bei der sichtbaren Geländedelle aber nicht um den einst höchsten
Teil des Walles, der nach Abtrag auf tieferem Bodenniveau ringparallel
im Innern liegt, sondern nur um den durch Vermoorung höher anstehenden
Wallfuß.
Erst nachdem offenbar im Hintergrund jemand
seinen Einfluss geltend gemacht hatte (anders ließe sich der plötzliche
Umschwung nicht erklären), nahm die Entwicklung ihren bisher für die
Stadt so positiven Verlauf. Der Verfasser wurde zu einem
Gespräch am
10.5. in den Räumlichkeiten der
Bezirksarchäologie gebeten, unter Leitung des (pensionierten aber bis
zum Amtsantritt seiner nun bestellten Nachfolgerin Dr. Jana Fries immer noch kommissarisch
betreuenden) Bezirksarchäologen Dr. Jörg Eckert, mit dem er schon
längere Zeit in Kontakt stand, sowie Michael Wesemann und Gerhard Stahn
auf Seite der Archäologen. Nun waren erstmals auch offizielle Vertreter
der Stadt anwesend, Bau- und Umweltamtsleiter Klaus Büscher und
Denkmalschützer Friedrich Precht. –
Bzw. umgekehrt betrachtet wurde nun erstmals der Verfasser dazugeladen,
denn bei einem vorherigen Gespräch zwischen Stadt und Archäologen war er
nicht dabei, und der Heidenwall wurde nicht näher thematisiert (was an
der Intervention anderer Fachleute gelegen haben mag, die eine
Wiederentdeckung des Heidenwalls für unwahrscheinlich hielten, ohne dass
sie je mit dem Verfasser über seine Quellen sprechen mochten). Die nun vom
Verfasser vorgestellte Quellenlage über den Heidenwall war aber für die
Archäologen überzeugend genug, daraufhin mit der Stadt Suchgrabungen auf
der betreffenden Wiesenparzelle zu verabreden, wobei die Stadt mit
Personal und Material (auch über Privatfirmen) logistische Unterstützung
leisten wollte. Wie seitens der Stadt verlautete, war zu diesem
Zeitpunkt das Flurstück mit dem Heidenwall noch nicht verkauft,
lediglich für das vordere an die Holler Landstraße stoßende Grundstück
habe schon ein Speditionsunternehmen Interesse angemeldet.
Gleich zu
Beginn der nächsten Woche, am 14.5., kam es
zur „Geländetaufe“, wie die Archäologen die offizielle Erstbegehung
eines zukünftigen Grabungsgeländes nennen. Auf Initiative des
archäologischen Grabungstechnikers Gerhard Stahn haben dieser und der
Verfasser (dem das Verfahren aus dem Geographiestudium bekannt war) mit
einem Erdbohrstock Bodenproben aus der Heidenwall-Flur entnommen, die
Einblick in natürliche oder menschlich verlagerte Bodenhorizonte
gewähren. Die Befunde zeigten zwar eine Absenkung des anstehenden Bodens
im östlichen Bereich, der später als Graben (natürlicher Flussarm)
angesprochen wurde, waren aber noch nicht sonderlich eindeutig, so dass
der Verfasser schon eine Einstellung des Unternehmens befürchtete.
Da die oberirdischen Wallanlagen bekanntermaßen schon in früheren
Jahrhunderten abgetragen waren, suchten die Archäologen Gräben, in die
datierbares Fundmaterial eingebracht worden sein kann, während dem
Historiker die vorliegenden Quellenbeweise zur Flurlage des Heidenwalls
und das Wissen um die andauernde Existenz der annähernd in
mittelalterlichen Umrissen überkommenen Flurparzelle bereits Erfolg
genug gewesen wären. Nur resultiert daraus offenbar ein
Vermittlungsproblem gegenüber Nachbarwissenschaften und Öffentlichkeit,
vor allem aber gegenüber Lokalpolitikern und Mitarbeitern der
öffentlichen Verwaltung. Ein handfestes, buchstäblich „greifbares“
Ergebnis in Form von Fundstücken oder deutlichen Bodenveränderungen ist
für die meisten überzeugender als ein noch so klarer Quellennachweis,
der in seiner papiernen Geistigkeit aber nicht jedermann anspricht.
Allerdings
waren die einige Tage dauernden Bedenken des Verfassers gegenstandslos,
denn während positive Bohrbefunde immer zu Grabungen führen sollten,
können negative oder zweifelhafte nie eine Grabung definitiv
ausschließen, wie Gerhard Stahn versicherte. Wissenschaft ist Vorsicht.
Wissenschaft ist auch Zweifel. Bevor er die nun
folgende Suchgrabung beginnen wollte, ließ sich der Grabungstechniker
nochmals detailliert die Lagebeweise der historischen Karten erläutern
(während einige wissenschaftliche Fachleute den Verfasser nicht einmal anhören geschweige denn seine
Quellenbelege sehen noch über das Thema sprechen mochten). Die per Mail
vom 15.5. erstmals in chronologischer Serie
vorgelegten und ausführlich erläuterten
Kartenbeweise aus dem 18. bis
20. Jahrhundert (die seither unter interessierten Archäologen und
Stadtbediensteten verbreitet werden) besaßen die nötige Beweiskraft, um die Suchgrabung zu starten.
Überblick über den östlichen Suchgraben, angelegt
am 23. und 24.5.2007, Blick nach Osten. (Hinten das bisherige
Osthafengebiet an der Werrastraße, randlich rechts hinten die bis zu
3,50 m hohen Sandaufspülungen der IKEA-Baustelle. Foto: Martin Teller,
25.5.2007.)
Östlicher Suchgraben mit unterscheidbaren Abschnitten
(Kurzbeschreibung nach Anschauung, Details der laufenden Untersuchung
siehe zukünftige archäologische Publikationen; von West nach Ost, vom
Wallinnern nach außen):
1. Vom linken Grabenende (außerhalb des Bildes, vgl. vorheriges Foto)
bis zu den ersten Baumstämmen ein Aufschüttungsgemisch aus Sand und
Mutterboden – der innere trockene Burgbereich.
2. Ein Gerüst von Baumstämmen an den Rändern und im Innern dieses
Abschnitts mit künstlicher Verfüllung durch Flußsedimente – der Wall
oder sein Kern. Vordere vom Bagger hochgedrückte und herausgehobene
Stämme ursprünglich quer auf die untere Bildkante zulaufend.
3. Z.T. wallartig über die Wiesenoberfläche herausragend Niedermoor –
vermutlich Teil der Wallböschung. Auf diesem niedrigen sich
halbrund über die Parzelle ziehenden Wiesenwall stand der Verfasser in
obigem Foto vom 30.10.2005. Demgegenüber zeichnete sich damals der
eigentliche Wallkern nicht unter dem Wiesengras ab.
4. Geländesenke mit Niedermoor bzw. Flußsedimenten, verfüllt mit Sand –
wohl bei Wallabtragung mit ehemaligen Wallbestandteilen verschütteter
Huntenebenarm mit Burggrabenfunktion.
5. Wieder ansteigendes sandiges Gelände – natürlicher Uferwall des
Nebenarms?
Rechts neben Eimer und Schlaghammer liegt ein Erdbohrstock (P,
Pürckhauer-Sonde), der von Wissenschaften genutzt wird, die sich unter
anderem auf Bodenkunde stützen, wie die Geographie und die Archäologie:
ein 1 m langes (mehrfach verlängerbares) 2 cm weites Stahlhalbrohr mit
Schlagkopf und abnehmbarem Griff, das mit schwerem Hammer in den Boden
geschlagen und anschließend durch Drehen mit Boden gefüllt wird. Die
entnommene Erdsäule enthält die horizontale Bodenschichtung.
Foto: Martin Teller, 24.5.2007.
Bäume und Gebüsch am betreffenden Gelände
im Deichbogen des Hemmelsbäker Kanals waren entgegen der Bitte des
Verfassers schon Ende März oder Anfang April
gefällt worden, um die Überspülung vorzubereiten. Daher bot das Gelände
einen traurigen Anblick, verglichen mit der herbstlichen Pracht aus dem
Jahre 2005 (vgl. obige Fotos). Allerdings waren die Baumwurzeln nicht
beseitigt und damit der Boden nicht gestört worden, was für die
Suchgrabung bedeutsamer war als ökologische und landschaftsästhetische
Belange.
Unter Leitung Gerhard Stahns und unter Einsatz von Personal und
Ausrüstung der Oldenburger Baufirma Bahlmann wurden vom
23. bis 25.5.
zwei schmale Suchgräben parallel zum Deichfuß des Huntealtarms gezogen;
am 23.-24. der
längere östliche, am 25.5.
der kurze westliche. Im östlichen fanden sich eindeutig von
Menschen hergestellte ältere Bodenveränderungen (wie die Archäologen in
ihren Publikationen noch ausführlicher darlegen werden) – Verfüllungen
mit eingelagerten Baumstämmen und außen daran eine verschüttete
grabenähnliche Vertiefung; zuerst für Doppelgräben gehalten und am
1.6. als Wall-Grabenfolge erkannt.
Überblick über den westlichen Suchgraben, angelegt
am 25.5.2007, Blick nach Westen. (Hinten jenseits des Hemmelsbäker
Kanals die ehemalige Brandswerft, rechts hinter dem Deich nicht sichtbar
die Kanalkurve zum Huntealtarm. Foto: Martin Teller, 25.5.2007.
Westlicher Suchgraben mit unterscheidbaren Abschnitten
(von Ost nach West, vom Wallinnern nach außen):
Im westlichen Suchgraben bot sich das gleiche Bild wie im östlichen, nur
spiegelverkehrt. Bei 1 zuerst die innere Sandaufschüttung, 2. die mit
Baumstämmen stabilisierte Wallaufschüttung, wie im Ostschnitt schräg
nach innen laufend, 3. wieder Niedermoor, 4. mit Sand verschüttete
Niedermoor- bzw. Flußsediment-Senke. Ein Wiederansteigen des Geländes
(s.o. Abschnitt 5) entfällt hier, da erst jenseits des vom Hemmelsbäker
Kanal geschnittenen alten Huntenebenarms möglich.
Damit wurde am dritten Grabungstag deutlich, dass
hier symmetrische Strukturen vorlagen: Im östlichen Suchgraben läuft der
Wallabschnitt nach Westen, im westlichen Suchgraben läuft er nach Osten,
das heißt, die Wallabschnitte führten bogenförmig aufeinander zu! Im
Boden liegen Reste eines frühgeschichtlichen Ringwalls, bei dem es sich
nach Flurlage nur um den längst verloren geglaubten Heidenwall handeln
kann. Zusätzlich zum Lagebeweis durch die papiernen Quellen des
Historikers kam nun der Beweis im Boden durch die Archäologie – ein
Beispiel erfolgreicher interdisziplinärer Zusammenarbeit.
Die gesamte Wallanlage beträgt im Durchmesser schätzungsweise 40-50 m,
dazu sind noch die umgebenden Huntenebenarme mit Burggrabenfunktion von
jeweils ca. 20 m zu rechnen. Genauere archäologische Erkenntnisse werden
aus den weiteren Grabungen gewonnen, die das vom Verfasser untersuchte
historische Kulturlandschaftsbild verfeinern.
Foto: Martin Teller, 25.5.2007.
Als der Verfasser am
25.5. erst nach Dienstschluss des
ersten dreiköpfigen Grabungsteams die Heidenwall-Flur besuchen konnte
und sein Auge auf den ihm neuen Westschnitt fiel, zeigten sich dort die
gleichen Befunde wie im Ostschnitt, nur spiegelbildlich gelagert! Damit
stand sofort fest, dass sich im Boden ein symmetrisches Bild zweier
bogenförmig aufeinander zulaufenden Grabenabschnitte ergab: der noch
erkennbare Ringverlauf des oberirdisch abgetragenen Walles. Damit hat
die Archäologie einen handfesten Zusatzbeweis für die historischen
Lagebeweise des Heidenwalls geliefert, wie auch anhand der
Fotobeschreibungen dargestellt. Für den Verfasser lag die Überraschung
nicht in dieser Tatsache, schließlich sollte man sich auf seine eigenen
Recherchen verlassen können, sondern in den noch so deutlich erkennbaren
Überresten im Boden, die wiederum die Archäologen eher für möglich
gehalten
hatten als er.
Der 25. Mai 2007 darf wegen des eindeutigen
Beweises im Boden für die Öffentlichkeit als der Tag der
Wiederentdeckung des Heidenwalls gelten, während die Fachwelt auf die
zeitlich leider nicht mehr genau erinnerliche, zudem bis
Mitte
Februar 2007 mehrfach nachgeprüfte
Ortsbestimmung durch den Verfasser verweisen müsste (nach
Erwerb des Blankenburg-Buches am 5.12.2003 und bis
Sommer 2005, vmtl. 2004).
Beim Zeichnen des östlichen Grabenschnitts. Der
Abiturient Maximilian Rex (links) nimmt die Maße des Geländes und
der verschiedenen Bodenhorizonte (unterschiedliche Befundschichten), die
Historiker Martin Teller (hier als archäologischer Grabungshelfer) auf
Millimeterpapier überträgt. Foto: Gerhard Stahn, 31.5.2007.
Die
folgenden zwei Wochen vom 28.5. bis 8.6.
wurden von Gerhard Stahn zur archäologischen Aufnahme der Befunde
genutzt, d.h. zur genauen Geländevermessung (ausgeführt durch städtische
Vermesser) sowie zur Ausmessung und Zeichnung der Grabenschnitte und
ihrer Profile. An letzterem hat der Verfasser bis zum
6.6. mitgewirkt, um seine bei
Teilausgrabung einer Dorfwüstung in Norddötlingen erworbene einmonatige
studentische Grabungserfahrung von 1993 wieder aufzufrischen, nach der
er als angelernter archäologischer Grabungshelfer gelten darf. Für
interdisziplinäre Arbeit ist es nützlich, Methoden der Nachbarfächer zu
kennen, auch wenn man diese längst nicht in gleicher Perfektion
beherrscht wie deren Vertreter.
Der
große Baggergraben südlich des Wiesengrabens und der Grabungsstätte,
ca. 1,50 m tief, auf Rat des Verfassers freundlicherweise von der
benachbart tätigen Baufirma Bunte gezogen, um Aufschluss über die
Geländebeschaffenheit südlich des Wiesengrabens zu gewinnen. Der untere
dunkle Bodenhorizont rechts an der Grabenkante auf Höhe des
Metallkoffers zeigt reine Flusssedimente eines Hunte-Nebenarmes, die im
Hintergrund in Kanalnähe mit anderen Bodenschichten vermengt waren, auch
mit anstehendem Sand des Drielaker Geestrückens. Hinweise auf eine
eventuelle Vorburg oder eine Zuwegung (per Bohlendamm?) waren hier nicht
auszumachen.
Foto: Martin Teller, 31.5.2007.
Von den zwei Arbeitskräften der Firma
Bahlmann verblieb bis zum 4.6. nur der Sohn
des Unternehmers, der Abiturient Maximilian Rex, als Grabungshelfer vor
Ort. Er und der Verfasser konnten (quasi aus Solidarität mit anderen
Bodengrabenden) zwischendurch zahlreiche Mäuse retten, die in den großen
Baggergraben gefallen waren, der am 31.5.
zum Einblick in die natürlichen Böden südlich des Wiesengrabens gezogen
wurde, während die eher nicht auf Keramikscherben abgerichteten zwei
kleinen „Grabungssuchhunde“ Gerhard Stahns fremde Hunde am unsachgemäßen
Graben auf der historischen Stätte hinderten. – Man sollte bei aller
Konzentration auf seine historisch-wissenschaftlichen Aufgaben nie den
Blick auf das nicht minder bunte Leben der eigenen Gegenwart vergessen.
Übersicht des Grabungsgeländes, Blick nach Osten:
Vorne und nördlich-links die Deiche des Hemmelsbäker Kanals bzw. des
Baggerhafen genannten Hunte-Altarms. Ab dem roten Pflock fast
bogenförmig geschwungen bis zum Bagger die Vertiefung des Wiesengrabens,
der alten Flurgrenze der Heidenwall-Parzelle und der Bauerschaft
Donnerschwee zur Bauerschaft Osternburg. Die Stätte des Heidenwalls
inklusive Suchgräben liegt zwischen Wiesengraben, linkem Deich und
Bauwagen nebst Autos in der Bildmitte. Südlich-rechts des Wiesengrabens
ebenso gebogen der große Baggergraben mit Erdaushub. (Vier Tage später
wurde im Vordergrund südlich des Baggergrabens das Baggerloch
ausgehoben, s.u.) Hinten links das bisherige Osthafengelände, rechts die
Sandaufspülungen der IKEA-Baustelle. Ganz im Hintergrund das
Blankenburger Holz.
Foto: Martin Teller, 31.5.2007.
Die mit der Stadt abgesprochene Suchgrabung
war sehr erfolgreich gewesen. Die wissenschaftlich logische Folge konnte
nur eine Flächenausgrabung sein, denn frisch entdeckte archäologische
Befunde ununtersucht abzubaggern wäre ein Akt der Barbarei gewesen und
hätte zudem gegen das Denkmalschutzgesetz verstoßen (man fragt sich, was
schwerer wiegt). Vorher musste aber die Stadt als Grundeigentümerin und
Bauplanerin zustimmen. Daher trafen sich deren Vertreter mit den
zuständigen Archäologen zur Abstimmung ihrer Positionen am
1.6. auf der Heidenwall-Parzelle.
Die Archäologen wurden vertreten von den Fachleuten der
Landesarchäologie aus Hannover, dem Leiter des Niedersächsischen
Landesamtes für Denkmalpflege Dr. Henning Haßmann, dem Burgenforscher
Dr. Hans-Wilhelm Heine und dem Bodenkundler Dr. Jörg Lienemann, sowie
den Vertretern der Bezirksarchäologie Dr. Jörg Eckert, Gerhard Stahn und
Michael Wesemann. Städtischerseits erschienen waren die Amtsleiter Klaus
Büscher (Umweltschutz und Bauordnung) und Hans-Joachim Schatke (Verkehr
und Straßenbau) mit etlichen (dem Verfasser z.T. namentlichen nicht
genau bekannten) Mitarbeitern, darunter die Herren Ebeling, Militzer,
Ptaszynski, letztere beiden als denkmalrechtliche bzw. technische
Kontaktpersonen zwischen Grabungsteam und Stadt. Ein Vertreter des
Kulturamtes war nicht anwesend, aber privat der Verfasser als
beobachtender Historiker. Damit standen ein gutes Dutzend Personen zur
Besprechung in einem großen Kreis oder Oval, ähnlich der Form des noch
größtenteils unter der Grasnarbe liegenden Ringwalls.
Die Stadt Oldenburg hatte vor, den (natürlichen und den durch
menschliche Bauwerke veränderten) Boden auf dem historischen
Heidenwall-Flurstück abzubaggern und mit Sand zu überspülen, um bei
späterem Ausbau des Gewerbegebietes der sich vorne an der Holler
Landstraße ansiedelnden Spedition ein erweitertes Parkplatzgelände
anbieten zu können. Demgegenüber stellten die Archäologen unter Dr.
Haßmann die archäologische Relevanz, den kulturellen Wert und die
stadtgeschichtliche Bedeutung der offensichtlich frühmittelalterlichen
Ringwallanlage dar. Während der Verhandlungen hieß es, der damals im
Ausland weilende Oberbürgermeister Prof. Dr. Gerhard Schwandner habe den
Verkauf der Heidenwall-Parzelle an die Spedition bereits fest zugesagt.
Falls das stimmt, wäre es in den drei Wochen zwischen der Besprechung
vom 10.5. und der heutigen Versammlung
geschehen, als die Stadt bereits mit den Archäologen zusammenarbeitete,
wobei spätestens seit dem 25.5.
offensichtlich war, dass es auf besagter Wiese relevante Bodenfunde gab,
nämlich die vom Verfasser bereits zu Jahresanfang
genannte historische Wallanlage.
Für ein Gemeinwesen ist es vorteilhaft, wenn seine führenden Vertreter
sowohl fachkompetent und führungsfähig sind als auch über ihr eigenes
Fachgebiet hinaus umfassend interessiert und gegebenenfalls flexibel
genug, sich geänderter Erkenntnislage anzupassen – Eigenschaften, die
von leitenden Beamten in Politik und Verwaltung erwartet werden können.
Entsprechend schlug Amtsleiter Schatke schließlich vor, auf der
Heidenwall-Flur nur den Oberboden abschieben zu lassen, was die
archäologischen Befunde freilegt und ihre Untersuchung ermöglicht, und
anschließend den Unterboden mit Sand überspülen zu lassen, anstatt alles
auszukoffern, was längere Zeit gedauert hätte. Dadurch wurde unter dem
Zeitdruck nahender Gewerbebebauung Spielraum für eine achtwöchige
Notgrabung gewonnen (die freilich nicht in Nöte hätte kommen müssen,
wenn die Hinweise des Verfassers Monate eher beachtet worden wären). Die
Kosten der für Oldenburg so bedeutsamen Ausgrabung werden auf 60.000,- €
geschätzt, was verhältnismäßig wenig ist, wenn man beispielsweise die
gleichen Kosten für ein neu eingeführtes Weser-Ems-Hallen-Logo
dagegenhält, das zudem in der Bevölkerung alles andere als sonderlich
beliebt ist.
Von städtischen Vertretern informiert erschienen anschließend etliche
Journalisten der regionalen Presse am historischen Ort. Seither
berichten die Medien über Wall und Grabung (s.u. dokumentierte
Zeitungsartikel), was den Verfasser vor ungewohnte Herausforderungen
stellt. Noch vor Beginn der Konferenz im Grünen hatten die versammelten
Archäologen – vier Doktoren und weitere Experten – die Bewertung der
Anlage als frühmittelalterliche Wallburg und als bedeutendes
Bodendenkmal bestätigt. „Das ist der Durchbruch!“, stellte der vom
Verfasser informierte und interessiert die Entwicklung verfolgende
Historiker und Oldenburger Universitätsdozent Dr. Gerhard Wiechmann
fest.
Das Baggerloch südlich des großen Baggergrabens
neben dem Hemmelsbäker Kanal, ca. 3 m tief, gegraben am 4.6.2007 von der
für Bodenauftrag zuständigen Baufirma Bunte zur Prüfung des natürlichen
Untergrundes. Ohne in unmittelbarem Zusammenhang mit der archäologischen
Grabung zu stehen ergeben sich daraus doch aufschlussreiche Erkenntnisse
über die umgebende historische Naturlandschaft. Der Schnitt enthielt
eine mächtige Bruchwaldschicht mit Baumstammresten auf anstehendem Sand,
der vom rasch nachlaufenden Grundwasser verdeckt wurde. Zumindest an
diesem Punkt südlich jenes Huntenebenarms, der im Mittelalter nicht
zufällig Broksfleth hieß (Brok = Bruchwald), ließ sich im Boden
ein dichter Sumpfwald nachweisen.
Foto: Martin Teller, 4.6.2007.
Vom 6. bis 8.6.
wurde wie mit der Stadt besprochen durch Einsatz eines von ihr
vermittelten großen Baggers der Wiesenoberboden der gesamten
Heidenwall-Flurparzelle zwischen dem Hemmelsbäker Kanaldeich im Westen,
einem Wiesengraben im Süden sowie den Suchgräben im Norden fast bis zu
deren östlichem Ende und fast bis auf deren ausgehobene Tiefe abgetragen
und per Lastwagen fortgefahren, um eine einheitliche Grabungsoberfläche
herzustellen, das sogenannte Planum. In dieser zweiten Wochenhälfte
standen Gerhard Stahn lediglich zwei von der Stadt als Grabungshelfer
vermittelte arbeitslose Jugendliche zur Verfügung, die ihm bei der
Glättung des Planums durch Schaufelarbeit zur Hand gehen konnten.
Seit dem 11.6. bekam er dann fachliche
Unterstützung durch die private archäologische Grabungsfirma Arcontor
unter Teamleitung von Marco Zabel, die engagiert wurde, weil die eigenen
Kräfte der Bezirksarchäologie mit einer größeren Grabung bei Visbek
bereits ausgelastet waren. Unterdessen hatte das von der Stadt gerufene
Technische Hilfswerk am 13.6. zwei
geräumige Zelte zum Schutz des technischen Grabungsgerätes aufgestellt.
Nun konnte die eigentliche flächenhafte Ausgrabung beginnen. Nachdem die
Dinge soweit gediehen waren, zog sich der Verfasser nach dem
6.6. von der Grabungsstätte zurück, um
fachliche Beiträge über den Heidenwall verfassen und andere Arbeiten
angehen zu können. Unter anderem durch sporadische Besuche hielt er
Kontakt zum Grabungsleiter und wurde über die weitere Entwicklung
informiert.
Auf die Suchgräben folgt eine flächige Ausgrabung.
Nach dem Abtrag der jungen Humusoberfläche auf der ganzen
Heidenwall-Parzelle am 6.-8.6.2007 wurde die historische Stätte unter
Leitung des Gerhard Stahn von der Grabungsfirma Arcontor (Braunschweig
und Berlin, Team von Marco Zabel) fachmännisch ausgegraben, da das
ordentliche Team der Bezirksarchäologie mit einer anderen Grabung bei
Visbek ausgelastet ist.
Zwischen den Plastikplanen, die zum Schutz vor Austrocknung oder
Überschwemmung die jeweils gerade nicht bearbeiteten Flächen abdecken,
befindet sich das freigelegte Halbrund des Walles, dessen größerer Mittelteil
noch ansatzweise unter dem Deich liegen wird und dessen nördlicher Bogen nach
historischer Quellenlage bei Uferbefestigungsarbeiten bzw. durch
Flusserosion schon vor
1760 beseitigt wurde.
Foto: Martin Teller, 14.6.2007.
So konnte er sich am
14.6. die eigentümliche Gestalt der nun bis zum Deichfuß ganz
freigelegten Holz-Erde-Konstruktion des Wallrundes genau ansehen und
erfuhr auch vom Fund einer zwischen deren Balken gelagerten ca. 10 cm
langen roten Tonscherbe, die mit einem markanten kreisförmigen
Kreuz-Dorn-Muster versehen ist, wodurch sie anhand von Fundkatalogen ins 8.-10.
nachchristliche Jahrhundert datiert werden konnte – passend zum angenommenen
Alter des Heidenwalls. Da sie im Zuge der Bauarbeiten in die Erde
gekommen sein muss, ist sie sogar noch ein wenig älter als der Wall
selbst und lag in ihm über 1000 Jahre unter der Erdoberfläche. Wie muss
sich der entdeckende Archäologe fühlen, wenn sein Auge zum ersten Mal
nach derart langer Zeit auf ein längst vergessenes Zeugnis menschlichen
Schaffens fällt?
Oldenburgs derzeit wohl berühmteste Scherbe kann hier vorerst nicht
abgebildet werden, obwohl der Verfasser sie nicht nur in den Händen
halten sondern auch Fotos von ihr machen konnte. Denn wie jeder über die
Art der Publizierung seiner eigenen Forschungsergebnisse oder -anteile
selbst entscheiden kann, so bleiben archäologische Grabungsergebnisse
den Archäologen zur ersten Publizierung überlassen (abgesehen von
bereits erfolgten zitierbaren Mitteilungen an Presse und
Öffentlichkeit). Sobald das geschehen ist, werden anhand dessen die
wichtigsten Details der eigentlichen Grabung, der Flächengrabung, sowie
das Scherbenfoto nachgereicht. (Siehe aber schon die Grabungsfotos auf der
Netzseite der Landesarchäologie unter
Links bei
Forschungseinrichtungen. – Die Fotos konnten am 24.7.2007 nachgetragen
werden.).
Tonscherbe aus der Heidenwall-Grabung. Anhand der
Verzierung des Radstempelmusters –
Kreuzmotiv mit diagonal eingefügten Dornen – läßt sich
die Scherbe und damit die Erbauung des frühmittelalterlichen Ringwalls
auf das 8. bis 10. Jahrhundert datieren. Die Tonscherbe wurde im
südwestlichen Bereich des äußeren Wallfußes gefunden. Fotos: Martin
Teller, 14.6.2007. Publiziert mit freundlicher Genehmigung der
Gebietsreferentin ("Bezirksarchäologin")
Dr. Jana Fries.
Die geneigten Leser werden der Einschätzung
zustimmen, dass Wissenschaft – auch Geschichtswissenschaft – ein großes
Abenteuer sein kann. Umso spannender, wenn es direkt vor der eigenen
Haustür stattfindet. Der Verfasser hat in den letzten Wochen und Monaten
sehr viel über Fachinhalte – Geschichte, Archäologie, Bodenkunde – ,
Lokal- und Kulturpolitik sowie Öffentlichkeitsarbeit gelernt; manches
quasi im Selbstversuch, wobei nicht alles ganz perfekt lief, was auch an
der ungewohnten (und ungeliebten) Situation liegt, plötzlich zusammen
mit seinen Arbeitsergebnissen im Licht der Öffentlichkeit zu stehen und
hinsichtlich Kulturschutz große Widerstände überwinden zu müssen. Daran
kann man sehen, wozu fachliches Engagement, Bürgersinn, Pflichtgefühl
und Verantwortungsbewusstsein gegenüber wertvollen Geschichtsdenkmälern
führen können, wenn man nicht aufpasst. Möglicherweise lohnt es sich
aber, denn alles in allem sind mittlerweile Aufmerksamkeit und Interesse
für den Heidenwall in allen gesellschaftlichen Gruppen stark gewachsen,
so dass zumindest seine geräuschlose Beseitigung ohne archäologische
Untersuchung undenkbar geworden ist.
Damit dürfte
deutlich geworden sein, dass der Beitrag des Verfassers an der
Erforschung des Oldenburger Heidenwalls sich nicht nur darauf
beschränkt, ihn in privater Initiative nach gründlichem Quellenstudium
wiederentdeckt und Stadtverwaltung, Archäologen und Öffentlichkeit die
ausschlaggebende Lageinformation gegeben zu haben. Er besteht auch in
interdisziplinärer Arbeitsteilung mit der Archäologie, indem der
Verfasser Details zum mittelalterlich-frühneuzeitlichen
Kulturlandschaftsbild dieser Gegend und der Heidenwall-Flur liefern
konnte. (Vereinfacht in obiger Karte und
Legende. Oldenburgische Siedlungs- und Landschaftsgeschichte ist
Schwerpunkt und Forschungsbereich des Verfassers.) Außerdem hat er dem
Grabuntstechniker Informationen über die allgemeinen
nordwestdeutschen Geschichtsereignisse der Heidenwall-Zeit zur Verfügung
gestellt (vgl. frühmittelalterliche Zeittafel)
und nebenbei in bescheidenem Rahmen direkt bei der Ausgrabung
archäologisch mitgearbeitet. Diese gedeihliche Zusammenarbeit trug
freilich auch umgekehrt Früchte, indem der Verfasser
Geschichtsinformationen gewann, die sonst im Boden verborgen geblieben
wären, die wiederum dazu beitragen, genauere Erkenntnisse zur Gestalt
des Heidenwalls und seiner umgebenden Natur- und Kulturlandschaft zu
gewinnen (den Querarm vom Broksfleth zum Hauptarm der Hunte). Außerdem fühlt sich der Verfasser verpflichtet, in mündlichen
oder schriftlichen Mitteilungen – über die Stadtverwaltung, direkt durch
die Presse oder über seine Homepage www.Stadt-Land-Oldenburg.de – die
Öffentlichkeit zum Heidenwall zu informieren.
Die fachliche Bearbeitung der Entdeckungen steht aber noch aus, zumal
die Ausgrabung noch läuft und alle Ergebnisse vorläufig sind. Während
aber die Archäologen die Fundstelle und -ergebnisse auf ihre spezifische
Weise bearbeiten, bereitet der Verfasser einen fachhistorischen Aufsatz
darüber vor, der (zunächst) nicht auf dieser Homepage sondern in einer
geschichtlichen Fachzeitschrift erscheinen soll. Darin wird es weniger
um die hier beschriebenen Ereignisse im Vorfeld der
Heidenwall-Ausgrabung gehen, als vielmehr um siedlungs- und
landschaftsgeschichtliche Aspekte zwischen Drielake und Donnerschwee
(Kurzform siehe Kasten).
Geschichtliche
Bedeutung für Oldenburg
Die im Oldenburger Stadtteil Drielake bzw.
Neuenwege wiederentdeckten Überreste der Ringwallanlage stammen mit
großer Wahrscheinlichkeit aus dem Frühmittelalter [glaubten wir alle
damals und wissen nun: Frühhochmittelalter – was an der Bewertung nichts
ändert:]. Damit fallen sie in
die Gruppe der ältesten Siedlungsspuren innerhalb des Stadtgebietes, die
nur bei Bauernhausresten am innerstädtischen Marktplatz und in einigen
eingemeindeten Eschdörfern noch weiter zurückreichen. Eine Wehranlage
aus dieser frühen Zeit vor Etablierung des Oldenburger Grafenhauses
konnte aber nirgends sonst in der Stadt Oldenburg nachgewiesen werden,
weder bei den ehemaligen Burgen von Donnerschwee und Beverbäke, noch
beim Oldenburger Schloss, das als vormalige Grafenburg nur bis ins
Hochmittelalter datiert werden kann. Bereits dadurch ist der Wall ein
wichtiges Bodendenkmal und nimmt innerhalb der Oldenburger Stadtgrenzen
sowie im regionalen Kontext eine herausragende Stellung ein.
Eine ganz besondere Bedeutung gewinnt der Ringwall durch die Tatsache,
dass es sich bei ihm um den sogenannten Heidenwall handelt, der diese
Bezeichnung spätestens seit dem 15. Jahrhundert trägt. Seine genaue Lage
in der Flur war in Vergessenheit geraten, bis sie der Verfasser erneut
nachweisen konnte. Bislang war man davon ausgegangen, die kleine Burg
sei bei Anlage des Hemmelsbäker Kanals 1830/31 völlig zerstört worden,
oder man habe dabei letzte oberirdische
Wallreste abgetragen, aber das ist offensichtlich ein Irrtum.
Die im Oldenburger Landesrahmen siedlungsgeschichtliche Sensation
besteht aber nicht nur im Wiederauffinden des längst verlorengeglaubten
Walles. Nicht weniger bemerkenswert ist der weitgehende Erhalt seiner
Flurparzelle, die seine frühere natürliche Umgebung konserviert hat –
(nach Entdeckung des Verfassers) eine Flussinsel in der Hunte. In drei
Himmelsrichtungen wird sie durch derzeit noch bestehende Gewässer
begrenzt: im Norden ein breiter Hunte-Altarm, im Westen und Süden ein
historischer Huntenebenarm namens Broksfleth/Wesenfleth, der durch einen
jetzigen schmalen Wiesengraben nachgezeichnet wird. Den östlichen
Abschluss zwischen beiden bildete ein durch die Grabung wiederentdeckter
Querarm. Folglich besteht das Bodendenkmal nicht nur aus dem Ringwall
selbst, sondern auch aus der Flur, in der er liegt, die in ihren früh-
bis hochmittelalterlichen Umrissen trotz einiger erwiesener und
anzunehmender weiterer Veränderungen noch im wesentlichen erhalten ist.
Die Rolle des Heidenwalls in der Oldenburger Geschichte wird noch
dadurch gesteigert, dass sich mit seiner Hilfe Oldenburgs Namensproblem
klären ließe. Denn der Heidenwall könnte die Burg sein, auf die sich das
„alt“ im urkundlich erstmals 1108 erwähnten Namen der gräflichen
Oldenburg („Aldenburg“) bezieht. Damit tritt der Burg- und Ortsname
bereits ein halbes Jahrhundert früher in Erscheinung, bevor
archäologischen Untersuchungen zufolge die Grafenburg um 1150
fertiggestellt war. Da diese Burg noch während ihrer Erbauung kaum schon
als „alt“ angesehen worden sein kann, wird ihr Name auf eine ältere
Vorgängerburg hinweisen, die aber weder am Ort des heutigen Schlosses
noch auf dem Geestabhang der heutigen Innenstadt (als angebliche
„germanische Fluchtburg“) nachgewiesen werden konnte. Dagegen stellt der
etwa zweieinhalb Kilometer flussabwärts liegende Heidenwall die einzige
real nachweisbare ältere Burganlage im näheren Umkreis dar, die als
Vorläufer der Grafenburg in Frage käme, wobei ein Zusammenhang mit der
bäuerlichen Ansiedlung in der Oldenburger Innenstadt aber ungeklärt ist.
(Dieser Namenszusammenhang wird in der Oldenburger
Geschichtswissenschaft seit mindestens 25 Jahren erwogen.) In Konsequenz
dieser Erklärung werden sich außer dem Burgnamen auch das sich nach ihm
nennende Grafengeschlecht sowie der spätere Stadtname und sogar der
Landesname „Oldenburg“ und alle jüngeren Oldenburger Namensbezüge
indirekt von diesem älteren Ringwall ableiten. Der Heidenwall wäre dann
– zumindest rein namensgeschichtlich gesehen – die Urzelle Oldenburgs.
Damit gäbe es außer dem Oldenburger Schloss keinen anderen derart
bedeutungsvollen Ort im Oldenburger Land. Der Heidenwall zählt zu den
wichtigsten Bodendenkmalen im Stadtgebiet und ist sicherlich die
bedeutendste historisch-archäologische Stätte außerhalb der Innenstadt.
Er erlaubt uns einen Blick in die weitgehend unbekannte Frühgeschichte
unserer Region vor Erbauung der gräflichen Oldenburg. Da ein zweiter
Fund dieser Güte innerhalb der Stadt Oldenburg unwahrscheinlich ist
(auch wenn wir die Hoffnung auf weitere aufschlussreiche Fundstellen
gerade in den alten Dorfkernen nicht aufgeben), wird man die Entdeckung
des Heidenwalls als Jahrhundertfund bezeichnen dürften, mit dem der
Verfasser einen Beitrag zur Erforschung der Stadtgeschichte und
(zeitlich sehr passend) zum 900jährigen Namensjubiläum Oldenburgs zu
leisten vermochte.
Grabungs-Impressionen vom Heidenwall. Eine
archäologische Beschreibung der hier unkommentierten Befunde bleibt
archäologischen Fachpublikationen vorbehalten, während sich der
Verfasser in seiner Eigenschaft als Historiker und Geograph an anderen
Stellen dazu äußert. Sollte der originale
Geschichtsort eines derart seltenen, eindrucksvollen und über 1000 Jahre
alten Bodendenkmals – der Vorläufer der Oldenburg und „Namenspate“ für
Stadt und Land – zugunsten eines modernen Parkplatzes zerstört werden?
Fotos: Martin Teller, 29.6.2007.
Zum
Umgang mit dem Bodendenkmal
Der an historischer Bausubstanz nicht mehr
gerade reichen Stadt Oldenburg ist unverhofft eine neue Geschichtsstätte
geschenkt worden. Anstatt aber dieses Kulturerbe zu bewahren, soll der
stadtgeschichtlich so bedeutende Ort nach der (beinahe nicht
zustandegekommenen) Ausgrabung sogleich wieder beseitigt werden, um in
einem Gewerbegebiet unterzugehen. Im Wahlkampf hat sich
Oberbürgermeister Prof. Dr. Schwandner für die Förderung der kulturellen
Belange Oldenburgs ausgesprochen und hätte nun beste Gelegenheit, seine
diesbezüglichen Absichten demonstrativ zu beweisen. Es sollte auch ein
Glücksfall für Oldenburg sein, dass der gegenwärtige niedersächsische
Minister für Wissenschaft und Kultur Lutz Stratmann ein gebürtiger
Oldenburger ist. Der Verfasser hat ihn am 18.6.2007 bei seinem Besuch
auf der Grabungsstätte als geschichtlich interessierten Menschen
kennengelernt, der darüber nachdachte, ob man den Wall nicht über ein
(mit Glas abgedecktes) „Loch im Boden“ auch zukünftig sichtbar machen
könnte.
Am einfachsten und kostengünstigsten bliebe immer noch, den Vorschlag
des Verfassers aufzugreifen und auf der kleinen aber
geschichtsträchtigen Parzelle im Bogen des Hemmelsbäker Kanals einen
Geschichtspark im Grünen als Ausflugs- und Lernort für Schüler,
Studenten und alle Bürger einzurichten, mit Informationstafeln und
Modell(zeichnung)en, mit rekonstruierten Wallresten in der Mitte und
randlich stehenden Bäumen. Die großen Besucherströme, die die Ausgrabung
derzeit anzieht, ließe auch in Zukunft reges Interesse erwarten. Dafür
hätte man aber gar keine Ausgrabung finanzieren müssen sondern das
Flurstück unüberspült in seiner Situation belassen können, denn bereits
die Flurform der Heidenwall-Parzelle ist ein bemerkenswertes Zeugnis aus
Oldenburgs Frühgeschichte. Dies hätten Archäologen und Verfasser
anfänglich sogar vorgezogen, weil auch eine Ausgrabung letztlich immer
eine wissenschaftlich dokumentierte Zerstörung ist. Doch als feststand,
dass ohne eine Grabung überhaupt nichts geschehen und die Parzelle
ununtersucht überspült würde, war die Ausgrabung unabdingbar, ohne deren
deutliche Ergebnisse ein breites Publikum ohnehin nicht von der
historischen Bedeutung des Flurstücks zu überzeugen gewesen wäre.
Außerdem wird der wissenschaftliche Erkenntnisgewinn durch die
Ausgrabung beträchtlich sein, was alle Angehörigen der verschiedenen
geschichtswissenschaftlichen Glieder gleichermaßen begrüßen.
Wenn es schon nicht möglich war, die Wallparzelle zu erhalten wie sie
dalag, sollte – müsste – sie als bemerkenswertestes historisches
„Nebenzentrum“ im Stadtgebiet wenigstens vor Überspülung geschützt
werden. Dieser Vorstellung wurde stets zuerst mit dem Kostenargument
widersprochen, die Spülinfrastruktur liege nun einmal bereits vor Ort,
die Geländeaufspülung abzubrechen und später erneut zu beginnen sei viel
zu teuer. Dabei könnten im Gegenteil Kosten eingespart werden, wenn man
sich entschlösse, die ca. 4000 Quadratmeter der Heidenwall-Parzelle eben
von der Überspülung auszunehmen. Dem folgte das technische
Gegenargument, es sei nur mittels deichartiger Böschungen oder
Spundwände möglich, die 3,50 m hoch aufgespülte Bodenoberfläche des
benachbarten Gewerbegebietes festzuhalten. Tatsächlich soll die Spülhöhe
zur Hunte hin aber nur die Krone des vorhandenen Sommerdeiches
erreichen, ca. 2 m, und ordentliche Böschungen (oder warum nicht
Spundwände?) sollte jede Baufirma anlegen können. Dem folgte zuletzt der
Hinweis auf die fehlende Entwässerungsmöglichkeit einer dann
entstehenden Geländesenke. Da der vorhandene Wiesengraben aber mit zum
historisch relevanten Gelände gehört und ebenfalls ausgenommen werden
müsste, hätte man bereits einen Graben, der nur etwas zu vertiefen wäre.
Wenn von diesem dann zum Hemmelsbäker Kanal ein Rohrdurchstich erfolgen
würde, der mit einer Sielklappe zu verschließen wäre (die Gezeiten
reichen bis hierhin), könnte man auch das Entwässerungsproblem lösen. So
gänzlich unpraktisch denken Historiker nicht, und wo ein Wille wäre,
wäre für Techniker auch ein Weg.
Die bei der Ausgrabung aufgedeckten Befunde könnten aber nicht
unbehandelt unter freiem Himmel liegenbleiben, denn die lange unter
Luftabschluss gelegenen Balken zerfallen bei Sauerstoffkontakt
allmählich. Daher wäre es wohl am sinnvollsten und zugleich am
eindrucksvollsten, wenn mit fachlicher Kreativität und unter Benutzung
moderner Materialien direkt an der historischen Stätte eine
Rekonstruktion des Heidenwalles erfolgen würde, wobei über Ausmaß und
Form der Rekonstruktion, die nicht zu perfekt sein wollte, noch
nachzudenken wäre. Die gefundenen originalen Holzbalken und
unterschiedlich gefärbten Böden werden sich dagegen nicht in ihrer
kompletten beeindruckenden Gestalt als museale Ausstellungsgegenstände
eignen, so sehr das zuweilen auch in der Stadtverwaltung gewünscht wird.
Außer einigen Kleinfunden wie Scherben und Holzresten und vielleicht
einem museal nutzbaren präparierten Holzsegment wird vom geschichtlichen
Heidenwall nicht viel übrigbleiben. Auch dürfte der Platz in Museen viel
zu knapp für einen größeren „Wiederaufbau“ sein. Wenn man den Ringwall
rekonstruktiv erhalten will, um ihn für die Nachwelt erlebbar zu machen,
dann am Originalort. (Wobei unter „Rekonstruktion“ nicht unbedingt nur
eine idealisierte „Wiederherstellung des historisch Verschwundenen“
verstanden werden soll. Zwar ließe sich ein kleines Wallsegment bis zur
vermuteten Höhe von 3-4 m mit Erde aufschütten und einer Palisade
versehen, wobei dann deutlich gemacht werden müsste, dass es sich bei
seiner äußeren Gestalt nur um eine Annahme handelt. Diesem angeschlossen
könnte das nächste Wallsegment nur aus einem Skelett der Holzbalken
bestehen; in der Gestalt und Höhe, wie es durch die Ausgrabung
freigelegt wurde. Als drittes Segment könnten bloße Linien auf einem
festen Untergrund dienen, welche den Ringverlauf der Holzbalken nur
andeuten und damit gleichzeitig unser trotz aller Mühen schwindend
geringes Wissen von den verschiedenen Vergangenheiten.)
Die Stadt Oldenburg läuft Gefahr,
ausgerechnet zum 900jährigen Namensjubiläum den wahrscheinlichsten
historischen Bezugsort ihres Namens zu beseitigen. Nun bestünde selbst
nach einer Überspülung, die das überkommene Flurdenkmal zerstören und
die (nach früherer Wallabtragung) wieder weitgehend frühmittelalterliche
Bodenhöhe überdecken würde, zukünftig noch die Möglichkeit, den
Geschichtsort auf neuer Oberfläche aber an originaler Stätte zu
reinszenieren. Was läge angesichts seiner Oldenburger Namenspatenschaft
näher, als den Heidenwall ins Zentrum der Feier zum 900jährigen
Oldenburg-Jubiläum zu stellen? Im Falle seiner Überbauung wird man diese
Feier wohl ersatzweise auf dem Parkplatz einer bundesweit tätigen
Spedition begehen müssen, die keinen geschichtlichen Bezug zu Oldenburg
oder speziell zum Heidenwall-Flurstück hat.
(Es bleibt die Frage, warum man sich in Oldenburg so schwertut, dem
Gemeinwohl dienende uneigennützige Vorschläge – rechtzeitig – zu
würdigen und das in der Bevölkerung vorhandene Potential im Sinne einer
gedeihlichen Stadtentwicklung zu nutzen. Wenn der Verfasser sich außer
seiner fachhistorischen Arbeit auch intensiv mit Aspekten von
Kulturpolitik und -marketing auseinandersetzt, soll dabei nicht
verschwiegen werden, dass er selbst der einzige unter allen Beteiligten
der Heidenwall-Bearbeitung sein dürfte, der mit seinen vielfältigen
Beiträgen keinen einzigen Cent daran verdient, während andere durch die
Grabung zusätzliche Einkünfte haben bzw. dadurch sogar zeitweilig neue
Arbeitsplätze entstanden.)
Immerhin wurde mit Ausgrabung und fachlicher Dokumentation (unter
anderem wiederum durch den Verfasser) das Allerschlimmste abgewendet:
die Beseitigung des Kulturdenkmals ohne vorherige Untersuchung. Das ist
durchaus ein nennenswerter Erfolg, an dem eine ganze Reihe
aufgeschlossener Oldenbürger mitgewirkt haben. Hauptsächlich beruht er
auf
-
Dr. Heinrich Munderlohs† historischen Vorarbeiten,
-
Gerhard Stahns
Einsatz und Organisationsgeschick,
-
Hans-Joachim Schatkes Flexibilität
und Geschichtsinteresse,
-
sowie dem ausdauernden Engagement des
Verfassers als Initiator und Verbindungsglied zwischen den
Oldenburger Beteiligten.
In dieser Reihe wäre noch ein Platz zu vergeben für
denjenigen, der Oldenburg das Geschichtsdenkmal der Heidenwall-Flur
erhält, aber der wird möglicherweise unbesetzt bleiben.
Der Grabungsleiter Gerhard Stahn inmitten des
Heidenwalls.
Ganz bewusst im Kolonialstil der Kaiserzeit fotografiert – angesichts
der großen Grabungsausbeute.
Foto: Martin Teller, 29.6.2007.
* * *
Es geschehen noch Zeichen und Wunder: In
der Bauausschußsitzung des Oldenburger Rates am
5.7.2007 wurde tatsächlich beschlossen, das Flurstück mit dem
Heidenwall nicht zu überspülen und keinen Gewerbeparkplatz daraus zu
machen! Die bereits der Spedition Schenker fest zugesagte Parzelle
wurde in allerletzter Minute gegen ein benachbartes Grundstück
getauscht. Die noch nicht abtransportierten Überreste des Heidenwalls
werden vorerst zum Schutz unten mit feuchtigkeitshaltendem Klei und oben
mit Sand überdeckt und können nach Bebauung
der Nachbargrundstücke weiter untersucht werden. Auch wird überlegt,
später den historischen Ort entsprechend seiner stadtgeschichtlichen
Bedeutung mit einer Wallrekonstruktion auszustatten ...
All die Mühe war tatsächlich nicht umsonst, sondern stieß auf positive
Resonanz! Den (meisten) Oldenburgern ist ihr kulturelles Erbe gar nicht
gleichgültig. Die Vorschläge des Verfassers fanden vielfache Zustimmung.
Zwar ist er keineswegs unbeteiligt an der letzten dramatischen Wende zum
Positiven (siehe Briefe vom 29.6. und
2.7.2007) und darf den
Erhalt der Parzelle durchaus als dritten großen Erfolg nach der
Wiederentdeckung des Heidenwalls und der realisierten Ausgrabung verbuchen. Aber auch dies war wiederum
nicht im Alleingang zu realisieren. Entgegen der Befürchtung kann die
obige Erfolgsliste doch ergänzt werden, allerdings diesmal nicht mehr
mit einem einzigen Namen. Zahlreich sind inzwischen diejenigen geworden,
die eine Lanze für Oldenburger Geschichtskultur brechen. An
herausgehobener Stelle zu nennen sind die Ratsfraktionen der Grünen mit
dem Landtagsabgeordneten und Ratsherrn Ralf Briese, der FDP mit dem
Ratsherrn und Fraktionsvorsitzenden Hans-Richard Schwartz, sowie der
Linken mit dem Ratsherrn und Fraktionsvorsitzenden Hans-Hennig Adler, und außerdem
der Oberbürgermeister Prof. Dr. Gerhard Schwandner, der in Umsetzung
seines Wahlversprechens die kulturellen Belange Oldenburgs sichtlich
fördert.
Zu nennen ist aber auch die Firma Schenker, die sich beim
Grundstückstausch so flexibel gezeigt hat und geradezu erstaunlich
aufgeschlossen gegenüber einem "weichen Standortfaktor" wie Geschichte.
Man könnte tatsächlich beginnen, von Zeiten zu träumen, in denen
generell Kultur in die Wirtschaft käme und Kultur wirtschaftlich würde,
aber wir wollen doch mit beiden Beinen auf der Oldenburger Erde bleiben
und hoffen, dass sie nicht überall so morastig ist wie unter dem
Heidenwall.
"Ich bin an allem schuld!", meinte der
Verfasser ironisch zu einem städtischen Dezernenten. Bei näherem
Hinsehen kann das aber gar nicht sein. Denn wenn irgendwo etwas Großes
geschaffen wurde, das sich hinterher niemand recht erklären kann, waren
gewöhnlich Heiden und Riesen die Verursacher (siehe
Namenserklärung des
Heidenwalls). So war das Ganze denn auch eine Heidenarbeit für den
Historiker und die Archäologen und ein Riesenerfolg für Stadt und Land
Oldenburg.
Martin Teller, 1. und 7.7.2007 |
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