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Historische Deiche im Kleinen Felde in Oldenburg-Neuenwege (Karte 1:10.000 von 1993). (Beide hiesigen Kartenausschnitte sind wie fast alle modernen Karten genordet, d.h. Norden ist „oben“, Süden „unten“, Westen „links“ und Osten „rechts“.) Im Jahr 2005 machten sich die Oldenburger Gedanken über passende Standorte für die geplante Ansiedlung eines IKEA-Möbelhauses, nachdem erste Verhandlungen gescheitert waren. Dabei ging es zuerst um Grundstücke an der Holler Landstraße südlich des Blankenburger Holzes, die zwar in praktischer Autobahnnähe aber in einem Landschaftsschutzgebiet gelegen hätten. Am 8.3.2006 meldete die örtliche Presse (Nordwest-Zeitung Nr. 57 und Hunte Report Nr. 10), der endgültige Platz sei gefunden: ebenfalls an der Landstraße, doch nun etwas stadtnäher westlich der Werrastraße. Bei der Gelegenheit überlege die Stadt als Grundeigentümerin, gleich das ganze für Gewerbefläche vorgesehene 30 ha große Gelände zwischen Holler Landstraße, Werrastraße, Hunte und Hemmelsbäker Kanal um einen Meter aufzuschütten, um den Osthafen zu erweitern und einige innenstadtnähere Betriebe hierhin umzusiedeln. Anfänglich wußte die Bevölkerung vom zuerst verhandelten Standort nur, daß er in einem Landschaftsschutzgebiet liegt, dessen Erstreckung von Osten lediglich bis etwa Klosterholzweg auch nicht jedermann bekannt war. Daher wurde u.a. vermutet, IKEA könne, so wie jetzt tatsächlich vorgesehen, in den (weitgehend nicht geschützten) Wiesenflächen westlich der Werrastraße angesiedelt werden. Einige Leserbriefschreiber gaben daraufhin zu bedenken, daß dieses Gebiet möglicherweise nicht überflutungssicher sei bzw. gerade zu den Hunte-Überschwemmungsflächen gehöre – was kaum gegen den allseits beliebten Möbelhändler als vielmehr gegen die Bebauung eines vermeintlich landschaftlich geschützten Areals gerichtet war, das wegen seiner Weite und seiner Naturnähe bei Spaziergängern seinerseits sehr beliebt ist. Abgesehen davon, daß dieses Gebiet keine Polderfläche mehr ist und durch moderne Deiche an Hunte und Kanal durchaus gut geschützt wird, wie auf dem Kartenausschnitt von 1993 zu sehen ist, war der vorgesehene erste Standort zwischen Holler Landstraße und Blankenburger Holz bezüglich Hochwasserschutz über jeden Verdacht erhaben. Liegt er doch schon seit Jahrhunderten östlich eines Deiches, den einst die Nonnen von Blankenburg oder spätestens deren Erben, die Grafen von Oldenburg, im Laufe landwirtschaftlichen Ausbaus anlegen ließen, um ihre Acker- und Waldländereien vor dem Huntewasser zu schützen. Dieser nach den benachbarten Wiesenflächen benannte Deich am Kleinen Felde (heute Klosterholzweg) ist schon auf der Vogteikarte von 1790 wie auf noch 60 Jahre älteren Karten in seinem heutigen Verlauf enthalten; vgl. den folgenden Kartenausschnitt mit dem obigen.
Lage der Flur Im Kleinen Felde um 1790 (Vogteikarte,
moderne Umzeichnung 1:25.000 von 1960), Das (gar nicht so) Kleine Feld gehörte ursprünglich auch zum Kloster. Wenn der Flurname (in der mittelniederdeutschen Form luttel wisch) schon aus dem Mittelalter stammt, was anzunehmen ist, zeigt er an, daß die geistlichen Damen anderswo – nämlich südöstlich des Klosters – noch größere Wiesenländereien besaßen. Von der Holler Landstraße aus ist die Zuwegung zum historischen Deich für Ortsfremde heute nicht leicht zu identifizieren, bieten sich jedenfalls Spaziergängern und Fahrradfahrern doch gleich drei Möglichkeiten; vgl. oben. Wer sich nicht auf die von Lastwagen frequentierte Werrastraße in der Mitte begeben mag, kann rechts davon den modernen Radweg benutzen oder links auf dem geschwungen ausgreifenden alten Deich den gegenwärtig noch freien Blick über die grüne Ebene genießen, der bis zu den Bäumen an der Hunte und den dahinter aufragenden weißen Getreidetürmen am Oldenburger Stau reicht. Die Flur wurde westlich von einem anderen historischen Deich begrenzt, dessen Verlauf einem natürlichem Uferwall der Hunte folgen wird und damit als passierbare Wegstrecke mindestens bis in die Frühzeiten des 1294 gegründeten Klosters zurückreichen könnte: der spätestens im 17. Jahrhundert vollendete Poggendeich (von mnd.-plattdt. Poggen = Frösche.) Soll ein Weg nördlich um das Blankenburger Holz herum in dieser einst sumpfig-moorigen Gegend doch die erste landfeste Zuwegung von Oldenburg zum Kloster geboten haben, bevor etwa um 1400 Leibeigene der umliegenden Orte den von Drielake kommenden Klambeker Weg anlegten, den Westteil der heutigen Holler Landstraße. Dabei dürfte eine ältere Straße zum Mitte des 18. Jahrhunderts abgetragenen sogenannten Heidenwall, einer frühgeschichtlichen Wallanlage, aber schon bestanden haben, die als uralter Heerweg dem Flugsandrücken unter der Cloppenburger und Stedinger Straße folgend hier die Huntefurt bei Donnerschwee durchquerte. Das Stück des Klambeker Weges östlich davon bis südlich des Blankenburger Holzes dürfte aber in Gänze erst um 1400 entstanden sein, und danach wohl der Deich beim Kleinen Felde, der Wald und Waldacker schützt und gleichzeitig einen kürzeren und bequemeren Weg zum Kloster darstellte. Das Straßenstück der Holler Landstraße östlich davon wurde als Teil des Neuen Weges mit Ansiedlung der ersten Bauerstellen im daher sogenannten Neuenwege erst während des 16. Jahrhunderts angelegt. Das Land des Klosters kam mit dessen Säkularisation (Auflösung des geistlichen Betriebes) gegen 1577 zuerst in landesherrliche und allmählich auch in private Hände. Das Flurstück jenseits des Poggendeiches zur Hunte hin namens Wesenbrok (oder -brook) war dagegen seit jeher Besitz von Donnerschweer Bauern – aus Sicht der Klosterverwalter die „Überhuntischen“, nach denen das Wesenbrok seinen zweiten Namen hatte, bzw. umgekehrt lag das Land für die Donnerschweer „över de Hunte“. Ursprünglich war es durch einen Huntenebenarm vom Blankenburger Ufer getrennt, der vom Poggendeich begrenzt wurde und allmählich verlandete, mit einer Ausnahme: der geschwungene Teil vom kleinen Grabenzug westlich des oberen Kleinenfelder Grabens, wo er parallel zum rot eingezeichneten Poggendeich in fast nördlicher Himmelsrichtung läuft, ist ein spärlicher Rest dieses alten Huntearms. Noch in zweiter Hinsicht ist der Kleinenfelder Graben eine Ausnahme, denn an ihm entlang – und nur hier in diesem Areal – zieht sich ein „besonders geschütztes Biotop“ (nach § 28a NNatG). Man wird ihn daher wohl von jeglicher Aufschüttung und Bebauung ausnehmen, trotz des bedrohlich in seine Richtung weisenden Fortführungsansatzes der Fuldastraße. Im Gegensatz zum noch komplett vorhandenen Deich am Kleinen Felde ist der Poggendeich auf ganzer (noch unüberbauter) Länge nicht mehr als Wall erkennbar. Sicherlich wurde er im Zuge landwirtschaftlicher Bearbeitung wieder abgetragen. Zumindest ein Stück seiner Grundfläche am Ostufer des Kleinenfelder Grabens hat gute Aussichten, durch seine Lage im Biotop erhalten zu bleiben. Kultureller und ökologischer Landschaftsschutz greifen hier vollständig ineinander. Nicht minder schützenswert ist natürlich der ganze Deich unter dem Klosterholzweg, doch zum Schutzgedanken gehört auch, wenn schon nicht die historischen Fluren selbst so doch wenigstens ihre Flurnamen zu erhalten, was sich die Stadtverwaltung seit einigen Jahren immerhin selbst zum Ziel gesetzt hat. Das war offensichtlich noch nicht der Fall, als man bei Fulda- und Werrastraße auf Bezeichnungen zurückgriff, die in geographischer wie historischer Hinsicht mit Oldenburg und dem hiesigen Gelände überhaupt nichts zu tun haben. Nun würde sich anbieten, Im Kleinen Feld und Wesenbrok als die wichtigsten Flurnamen zu berücksichtigen, falls zwei Straßen im neuen Gewerbegebiet nördlich der Holler Landstraße gebaut werden. Es ist eine geschichtsträchtige Gegend, das Gelände am neuen Osthafen – gewiß mehr als nur eine bloße Brachfläche, die erst im 20. und 21. Jahrhundert durch Gewerbeansiedlung „erschlossen“ wird. Vom hiesigen Land haben sich schon über viele Jahrhunderte hinweg Generationen von Menschen ihren Lebensunterhalt erarbeitet. Möge dies auch mit der neuen gewerblichen Nutzung möglich sein. Jedenfalls ist IKEA gut durch junge und z.T. auch noch durch alte Deiche gesichert. Freilich könnte es sein, daß die zu erwartenden Kundenströme hier doch noch „alle Dämme“ brechen lassen.
Vertriebenes Vertriebenendenkmal – ein Zwischenruf zur StandortfrageSeit längerem und besonders intensiv in den ersten Monaten des Jahres 2006 stritten verschiedene Oldenburger Interessengruppen miteinander um einen passenden Standort für ein zu errichtendes Denkmal, das an das Schicksal deutscher Heimatvertriebener des II. Weltkriegs erinnern soll, von denen Oldenburg im Verhältnis zu seiner vorherigen Einwohnerzahl besonders viele aufgenommen hatte (dadurch seinerzeit etwa ein Drittel Neubürger). Das Folgende versteht sich als zusammenfassender Kommentar zu vielen unterschiedlichen Leserbriefen der Lokalpresse mit eigener Akzentuierung. Wozu sich zur Diskussion um ein geplantes Vertriebenendenkmal zu Wort melden, habe ich mich gefragt, wenn sich die eigene fachliche Arbeit gegenwärtig doch auf Siedlungs- und Landschaftsgeschichte konzentriert, die historisch weitgehend belastungsfrei weniger Gefahren birgt, mißverstanden zu werden. Doch Gestaltungsfrage und Standortsuche eines Gedenkbauwerks ist Siedlungswesen im weiteren Sinne, Geschichte im engeren, und Städtebau ist zudem ein Teil der Geographie, die mich ebenso angeht. Als gebürtiger Oldenburger und Kind von einst wiederum als Kind Geflüchteten fällt es vielleicht leichter, manche gegensätzlichen Positionen in sich auszugleichen. Noch nützlicher wäre es dafür, zugleich jüdischen Glaubens zu sein, aber damit kann ich nicht dienen. Außerdem steht es jedem Bürger wohl an, sich auf seine persönliche Weise an der Gestaltung des Gemeinwesens zu beteiligen. Es sollen hier also einige Gedanken vorzugsweise über den offenbar schwer zu findenden Standort des Denkmals festgehalten werden, dessen Errichtung bereits im Stadtrat beschlossen wurde. Das folgende in der Oldenburg-Literatur gefundene Foto vom Leobschütz-Gedenkstein spiegelt wegen des sichtbaren „Kommentars eines Hundes“ m. E. ironisch passend Inhalt und Tonart zahlreicher Leserbriefe dieser Wochen, in denen heißblütig für und wider Denkmal und Denkmalstandorte diskutiert wurde. Nach Stilart des trefflichen Karikaturisten Haitzinger – ich selbst muß mich auf eine gedankliche Zeichnung beschränken – fehlen eigentlich nur noch die Tauben von oben, um die Anwürfe gegen den Denkmalgedanken bildlich zu fassen.
Der
sogenannte „Leobschützstein“ in der Grünanlage an der Peterstraße in
Oldenburg. (Inschriften, vorne:) „Unvergessene deutsche Stadt im Osten
Leobschütz“, (rechts:) Wappen Oldenburgs, sowie: „Patenstadt Oldenburg“,
(hinten:) „Danzig / Memel / Pommern / Schlesien / Sudentenland /
Ostpreussen / Westpreussen“. Wappen von Leobschütz, „1945“. Errichtet im
Jahr 1958. Aus: Dietrich Hagen: Oldenburger Steinlese, Oldenburg 1993,
S. 117. Bei ernsthafter Betrachtung des bis dato nur noch wenig beachteten Steins kann man freilich auf den Gedanken kommen, mit ihm sei der Heimatvertriebenen durch vollständige Nennung der verlorenen ehemals deutschen Ostgebiete bereits in ausreichender Weise gedacht. Zumal der Stein in nächster Nachbarschaft zum Denkmal aller Opfer des Nationalsozialismus steht, seit Jahr und Tag auch in friedlicher Nachbarschaft zum älteren Synagogedenkmal. Hier scheinen alle Opfergruppen im Leid vereint zu sein. Wo ist nun das Problem? Die PositionenLiegt es bei den einstigen Vertriebenen, die längst in Oldenburg integriert nun im Alter sich verstärkt ihrer Jugendzeit erinnern und dies in ihrem besonderen Fall öffentlich dokumentieren möchten? Viele gebürtige Oldenburger werden einen traumatischen Heimatverlust nur schwer nachvollziehen können; wie überhaupt etliche kriegsbedingte Traumata unserer Bevölkerung erst jetzt zur Sprache kommen und vielleicht noch aufgearbeitet werden können – gewissermaßen als zweiten Teil der Kriegsbewältigung nach der Aufarbeitung schuldhafter Verstrickung des deutschen Volkes in barbarische Verbrechen. Entsprechend müßte es doch möglich sein, ein sensibel gestaltetes Denkmal zu errichten, wobei es sich natürlich anböte, den Leobschützstein einzubeziehen. Bei ihm steht die eine Stadt ein wenig zu sehr im Vordergrund, trotz Erwähnung anderer Gegenden auf der Rückseite, um als alleiniges Vertriebenendenkmal zu überzeugen. Möglich wäre eine ähnlich „wachsende“ Gestaltung wie um das Synagogenmahnmal. Oder liegt die Ursache für den heftigen Konflikt bei den Sprechern des örtlichen Judentums, die durch eine nahe Vertriebenen-Gedenkstätte – vorgeschlagen war zuerst ein Standort am Heiligengeistwall Ecke Julius-Mosen-Platz – vielleicht ihre eigene entwertet sehen? Anscheinend befürchten sie, dadurch könnte das Leid jüdischer Opfer relativiert oder gar negiert werden (was m.W. niemand beabsichtigt). Demnach wurden sie erst kürzlich durch die Initiative des Vertriebenenverbandes darauf gestoßen, daß sich schon seit langem ein ähnliches Denkmal in unmittelbarer Nachbarschaft des eigenen Synagogensteins befindet, da wie erwähnt der Leobschützstein bislang eher ein Schattendasein führte. Dann hätten sie aber seit 1990 geflissentlich übersehen, daß die damals sicher mit ihnen abgesprochene und mit großem Presseecho eröffnete Denkmalerweiterung vor dem Synagogenstein eben nicht nur jüdischen Opfern gilt. Man hätte dort natürlich ein rein jüdisches Mahnmal belassen und der anderen Opfer anderswo gedenken können. War es keine gute Idee, einen gemeinsamen Ort der Trauer und Erinnerung als Grundlage von Versöhnung und gegenseitigem Verständnis schaffen zu wollen?
Es sind zwei im Kern berechtigte Anliegen,
die hier irrtümlich aufeinanderstoßen. Das Problem liegt nämlich in der
Definition von „Opfern“ bzw. darin, daß den Vertriebenen dieser Status
von manchen – nicht nur jüdischen – Kritikern nicht zuerkannt werden
mag. Dann scheint es auch nicht möglich, gemeinsam – sozusagen auf
gleicher Tränenhöhe – zu trauern. Tränen freilich, die auf beiden Seiten
längst nicht mehr fließen sondern allenfalls bitteren oder wehmütigen
Ingrimm folgen ließen, der sich immer noch in Denkmaldebatten entladen
kann. Die Orte Auf dieser Basis darf man sich getrost nach einem geeigneten Standort für das Denkmal umschauen. Die Oldenburger schauen noch und es schaut nicht so aus, als würden sie sich leicht einigen können.
Heiligengeistwall / Ecke
Julius-Mosen-Platz: Niemand wird dem integeren und verdienten
Landtagspräsidenten a. D. Horst Milde ernsthaft unterstellen wollen, mit
diesem Ortsvorschlag ein ideologisch begründetes „Gegendenkmal“ zu dem
Bestehenden beim Platz der früheren Synagoge im Sinn zu haben. Zumal das
dortige Mahnmal zwar vor allem aber ausdrücklich nicht nur an die
ermordeten Juden unserer Stadt erinnern soll, sondern an sämtliche Opfer
des Nationalsozialismus, wozu eben auch viele Vertriebene zählen. Die
unterschiedlichen Auffassungen darüber sind erläutert. Wer die
verschiedenen Opfergruppen lieber trennt, müßte die verdeckenden Häuser
zur Kenntnis nehmen, die schräg zwischen dem Mahnmal an der Peterstraße
und dem vorgeschlagenen Platz beim Haarentor stehen, den einst eine
geschichtlich unbelastete (recht hübsch anzusehende) Feuerwache einnahm.
Beide Orte liegen diagonal über 75 m Luftlinie entfernt, eine
zwangsläufige Wegverbindung besteht nicht. Der kleine Platz am
Heiligengeistwall, der zusätzlich durch den Haaren-Stadtgraben von der
Gedenkstätte an der Peterstraße getrennt wird, ist von dort aus nur
einzusehen, wenn man sich beim Hinschauen partout verrenken will oder
den eigentlichen Denkmalplatz verläßt. Manche Leserbriefschreiber brachten bei der Gelegenheit die Säule auf dem nahen Friedensplatz ins Spiel und mokierten sich über die bestehende und durch das neue Denkmal möglicherweise noch verstärkte Denkmalhäufung dieser Gegend. Dazu sei gefragt, warum die geschichtsreiche Großstadt Oldenburg sich nicht eine Art historischer Gedenkmeile leisten soll, die am Beginn der hiesigen „Bildungsmeile“ (Ofener Straße und Ammerländer Heerstraße mit Universität, Fachhochschule und zahlreichen höheren und niederen Schulen) doch gar nicht unpassend läge. Immer wieder wurde von unterschiedlichen Personen vorgeschlagen, den im II. Weltkrieg zu Rüstungszwecken eingeschmolzenen einst auf der Säule befindlichen Friedensengel anhand vorhandener Originalschablonen wiederherzustellen. Merkwürdigerweise fand dies bislang keine Mehrheit, dabei läßt sich im Friedensengel doch das prominenteste aller Naziopfer sehen.
Bahnhofsvorplatz: Gewiß, auch den
Oldenburger Bahnhof hat man traurigerweise zur Judenvernichtung
mißbraucht. Mit Hinweis auf die von hier ausgegangene Deportierung der
stadtoldenburger Juden in Konzentrationslager wurde gegen einen
möglichen Alternativstandort des Vertriebenendenkmals auf dem
Bahnhofsvorplatz argumentiert, den die Stadtverwaltung vorgeschlagen
hatte. Dabei sollte doch niemand päpstlicher als der Papst sein wollen,
sprich: empfindlicher als die lokalen jüdischen Vertreter, die bis auf
den Platz am Heiligengeistwall erklärtermaßen keinen Ort für das
Vertriebenendenkmal ablehnen wollen.
Dem Dargelegten ist zu entnehmen, daß
meiner Auffassung nach beide besprochenen Standorte gleichermaßen gut
für das Vertriebenendenkmal geeignet wären, der Ort am Heiligengeistwall
noch etwas mehr als der am Bahnhofsplatz. Da aber die ehemals
Vertriebenen mittlerweile in allen Stadtteilen zu Hause sind, sollte man
unsere Vororte als Denkmalstandort nicht grundsätzlich
ausschließen, immerhin ist Oldenburg gerade durch die aufgenommenen
Flüchtlinge nach allen Seiten so stark gewachsen. Voraussetzung wäre
aber, nicht das Gefühl bekommen zu müssen, das Denkmal solle in einem
der ausgedehnten Vororte schamvoll „versteckt“ werden. Es wäre schon an
einer dauernd frequentierten Hauptverkehrsstraße aufzustellen.
Manche der zahl- und zuweilen auch
namenlosen Flüchtlinge haben sicher kein Denkmal verdient, andere hätten
schon längst eins bekommen müssen. Wer kennt schon die vielen
Einzelschicksale. Warum nutzt man diese Problemlage nicht als Chance,
ein „ehrliches“ Denkmal zu schaffen, mit dem sich alle Oldenburger
identifizieren können, indem man Täter- und Opferschaft unter den
einzelnen Mitgliedern der Vertriebenengruppe (gleich der
Nicht-Vertriebenen) in gebührender Weise erwähnt? Wobei manche nur
Täter, manche nur Opfer, und manche beides gewesen sind.
Das verschwundene Schloß von DonnerschweeIn seiner Rubrik und unserer Stadt schaute sich der NWZ-„Stadtbummler“ junge Straßen in der Donnerschweer Gegend „Unterm Berg“ an (Artikel „Großzügig am Borgwall“, Nordwest-Zeitung Nr. 100, Samstag, 24.4.2006). Dabei fragte er sich: „Warum Am Borgwall? Hat es in Donnerschwee je eine Burg mit Wall gegeben? Oder kommt Borg eher von Berg? Dann würde der Name durchaus in die Gegend des uralten (und längst abgetragenen) Beverbäkenberges passen. Wohnen in der Stadt ist eben immer auch ein bißchen Blättern in der Stadtgeschichte ...“ So ist es in der Tat! Dann blättern wir mal – bzw. klicken – und werfen etwas Licht in das Dunkel der Geschichte.
Lage der ehemaligen Burg bzw. des Schlosses zu Donnerschwee, seines noch bestehenden Wirtschaftshofes und des einstigen Verlaufs der Beverbäke nach Flurkarten bis 1850. Eingetragen in einen eingegrauten Ausschnitt der Karte der Stadt Oldenburg, 1:10.000, Oldenburg 1993. Burgplatz u.a. nach Heinrich Munderloh (Kartenvorlagen mit leichten Verzerrungen). Thematisch bearbeitet von Martin Teller, Mai 2006.
Der Stadtbummler, dem die Straßen der
ausgedehnten Oldenburger Vororte regelmäßige Beachtung verdanken, war
einige Schritte lang auf dem falschen Pfad: „Borg“ und der bis in die
1920er Jahre abgetragene „Berg“ ist nicht dasselbe. Auch ist der
Straßenname „Unterm Berg“ nicht mit „im Tal“ gleichzusetzen, wie im
selben Artikel vermutet wird, weil dafür der „Gegenberg“ fehlt. Unterm
Berg bedeutet „am Fuße des Beverbäkenberges“, läßt sich auch – immer
noch aktuell – als „unterhalb des Geestabhangs“ verstehen. Im Gegensatz
dazu beruht der Straßenname Am Borgwall nicht auf Landschaftsgeschichte,
sondern auf Siedlungsgeschichte.
Demnach liegt der Burgplatz in der
einstigen Wiesengegend zwischen dem alten Dorfrand von Donnerschwee und
dem Hunteufer, die jetzt Gewerbegebiet ist und vom Gleis der ehemaligen
Braker Bahn durchschnitten wird. Im wesentlichen südlich davon und
westlich der Wehdestraße befand sich eine heute in ihrer Form nicht mehr
erkennbare ca. 150 x 200 m große ovale Wiesenparzelle, die
auffallenderweise den Flurnamen „Bollwerk“ trägt, im Inventar des
zugehörigen Bauernhofes von 1817 heißt sie noch eindeutiger „Borgwall“.
Auf der Luftaufnahme sollen darin deutlich die Umrisse der alten
Burganlage zu erkennen sein, die sich unterhalb der Grasoberfläche
abzeichneten: eine erhöht liegende etwa 30 x 40 m große Fläche, wie sie
in die obige Karte eingetragen ist, mit einigen Steinfundamenten, umfaßt
von zwei schon Mitte des 19. Jahrhunderts zugewachsenen Gräben. Der
davon abgehende „Schaufelstiel“ zeigt noch die Zuwegung von Norden her,
die gewiß über den Hofplatz des alten Bauernhofes lief, der heute die
Hausnummer Wehdestraße 68 trägt.
Mit diesen nach heutiger Architektur
bescheidenen Ausmaßen paßt die Burg von Donnerschwee in das Bild der
spätmittelalterlichen Burgplätze des ammerländischen Landadels, die mit
gewöhnlich hundert mal hundert Fuß (30 Meter Seitenlänge) alle so klein
waren. Munderloh beschreibt ihre Gestalt anhand von
Ausgrabungsergebnissen der vergleichbaren Anlage Gut Horn bei
Wiefelstede (Ergänzungen vom Verfasser): „Gelegen im natürlichen Schutz
der sumpfigen Niederung von Hunte und Beverbäke, umgeben von Wall und
Graben, der vom Fluß her [eher von der Bäke] gespeist wurde, auf dem
Wall ein Palisadenzaun. Eine Zugbrücke führte auf den Burgplatz, die
Burg selbst war ein einfaches Fachwerkhaus von 10 Fach [Länge, wohl mit
Reitdach] wie die Bauernhäuser im Dorf, daneben innerhalb der gleichen
Umwallung, aber zusätzlich von eigenem Graben umgeben, noch ein
‚Bergfried’ [zum Brandschutz] mit Dachpfannen gedeckt, dieser [hier eher
kein Wehrturm sondern lediglich] Vorratsspeicher mit einem Keller für
Bier und andere kühl zu verwahrende Lebensmittel [und einige wertvolle
Gegenstände, evtl. sogar noch für Saatgut].“
Doch dieses erfüllte für die Bewohner
ebenso seinen Zweck als hinlänglich repräsentativer adeliger Wohnbau –
natürlich auf bescheidenerer Ebene als die der Landesherren, aber der
wehrhafte Wall mit Graben und Zugbrücke hob das Anwesen wenigstens über
einfache Bauernstellen hinaus, selbst wenn diese gelegentlich auch ein
großes Haus und einen umgräfteten Speicher besessen haben.
Im landschaftlich-geschichtlichen
Zusammenhang ist interessant zu wissen, daß die Familie v. Bremen und
ihre Zweige den Biber im Wappen führten, der auch in der Alten Welt
natürlicherweise vorkam, bis er durch Jagd ausgerottet wurde. Davon
zeugt neben diversen deutschlandweit vorkommenden Orts- und Flurnamen
auch der hiesige Name der Beverbäke, die hochdeutsch nichts anderes als
„Biberbach“ heißt. Er floß direkt neben dem Adelssitz – demnach haben
seine Bewohner das Sinnbild ihrer vornehmen Existenz ihrer unmittelbaren
ländlichen Lebenswelt entnommen.
Auf welche Weise auch immer das Schloß von
der Erdoberfläche verschwand, geschehen ist es. Doch ein Teil des
Burgzubehörs ist bis heute „lebendig“ geblieben, der schon vor der Burg
bestanden haben könnte – in anderer baulicher Gestalt natürlich: der
Wirtschaftshof. Bereits in der Pfandurkunde von 1436 wird als Zubehör
des Schlosses ein „Vorwerk“ erwähnt. 150 Jahre schweigen die Quellen
darüber, dann erscheint es wieder, als Graf Johann VII., der Vater Anton
Günthers, einen neuen Meier einsetzt, der den nunmehr Tafelgut
genannten Hof bäuerlich bewirtschaften soll. Daß es sich tatsächlich um
denselben Hof handelt, darf als gesichert angenommen werden, weil auch
jetzt die Grafen Eigentümer waren, der Burgplatz direkt südlich an das
Hofgrundstück angrenzt und jener in den frühneuzeitlichen
Besitzregistern als Land dieser Hofstelle ausgewiesen ist. Nach
mehrfachen Um- und Neubauten im Laufe seiner Geschichte zeigt sich uns
das gegenwärtige Bauernhaus als reitgedeckter Ziegelbau von 1849, wie
die Inschrift über dem Torbogen verrät.
Ganz aus der menschlichen Erinnerung
verschwunden war das Donnerschweer Schloß nie, wie mündliche
Überlieferung zeigte. Im allgemeinen Bewußtsein war es aber auch nicht
gerade, und so ging allmählich das Gefühl für die Besonderheit der alten
Flur Bollwerk/Borgwall verloren. Man schützte sie daher auch nicht vor
Bebauung, was moderne archäologische Untersuchungen ermöglichen würde,
die angesichts des von Zerstörung bedrohten Bodens längst hätten
stattfinden müssen. Hart an der südlichen Flurgrenze steht der Hochsilo
der Raiffeisen-Centralgenossenschaft (RCG), Ende der 1970er/Anfang der
80er Jahre wurde die ehemalige Burgwiese als Autolagerplatz genutzt,
seit einigen Jahren befindet sich eine Kette eingeschossiger Hallen
darauf, die stadtseitig gewiß nur in Unkenntnis der Situation genehmigt
wurden. Da das Gelände für den Lagerplatz um 1,50 m aufgeschüttet worden
sein soll, besteht noch die Hoffnung, daß der archäologisch relevante
Boden darunter bei wohl nur leichten Punkt- oder Streifenfundamenten der
niedrigen Hallen nicht zu sehr gestört wurde. Die Oldenburger und
besonders die Donnerschweer sollten darauf achten, in Zukunft wenigstens
das Tafelgut zu erhalten – als bedeutendsten Donnerschweer Bauernhof und
als letzten sichtbaren Rest der Burganlage gleichermaßen.
„Zwischen den Wällen“ also – ein
trefflicher „Untertitel" für diese Straße und allemal ein guter Hinweis
auf die im Stadtraum siedlungshistorisch so bedeutende Gegend des
einstigen östlichen Hunteübergangs, die in städtebaulicher Hinsicht mehr
Beachtung verdient hätte, als sie seit Jahrzehnten erfährt, wie an der
Dominanz von doch eher profanen Gewerbebetrieben und zentralen
Entsorgungseinrichtungen abzulesen ist. Zur Aufwertung könnte die
Wiederentdeckung der lokalen Geschichte beitragen: eine Furt, eine
wichtige Heer- und Handelsstraße, drei Burgen, ein Dorf mit germanischen
Wurzeln und noch vorhandenen jüngeren Bauernhäusern, eine Zoll- und
Hafenstelle, Schauplatz großer geschichtlicher Ereignisse und
zahlreicher persönlicher Lebensschicksale – reichlich Material für
durchdachte Stadtentwicklungskonzepte, die gewissermaßen von den
historischen Wurzeln bis in die Blattspitzen der Gegenwart reichen.
Dadurch könnte allenthalben ein lebendiges Geschichtsbewußtsein
entstehen, das über immer jüngere Zeitstufen bis in die stadtbürgerliche
Identität der Gegenwart reicht und einen weiteren Orientierungsrahmen
bietet, einen tieferen Erfahrungshorizont, als eine bloße Existenz in
den Tagesnotwendigkeiten der Gegenwart.
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