Das Oldenburger Wunderhorn

Übersetzungsbeispiel

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Ein mittelalterliche Verkaufsurkunde über ein Loyer Adelsgut

(Direkt zur Urkunde)

Schrift- und Sprachkenntnisse Werkzeuge des Historikers

Historiker arbeiten bekanntlich überwiegend mit Texten, aus denen sie vielfältige geschichtliche Informationen gewinnen. Die Voraussetzung dafür ist, alte Handschriften unterschiedlicher Zeiten lesen zu können, denn nur Texte aus jüngeren Zeiten liegen überwiegend in gedruckter Form vor. Selbst diese haben mitunter schwer zu entziffernde Lettern, etwa die bis teilweise zum II. Weltkrieg in deutschen Landen gebräuchliche Frakturschrift (Beispiel aus einem Zeitungstext die kleingedruckten Zeilen). Um sich in die Handschriften einzulesen, besucht man auf der Universität Kurse in Paläographie = Althandschriftenkunde und trainiert sein Wissen an möglichst vielen Urkunden und Altaktenbeständen in Archiven. Anschließend gelingt es einem in der Regel recht gut, sogar auf den ersten Blick völlig rätselhafte Schriftzeichen zu erkennen und ihre historischen Inhalte zu verstehen (seither kann der Verfasser auch seine eigene Handschrift entziffern was einmal mehr den gelegentlich angezweifelten Praxisbezug eines geisteswissenschaftlichen Studiums beweist). Dabei trifft man weniger auf das recht bekannte Sütterlin, das eine Kunstschrift des 20. Jahrhunderts ist, sondern man hat es vor allem mit der ihm ähnlichen aber im allmählichen Schreibgebrauch entwickelten alten deutschen Handschrift der vorherigen Jahrhunderte zu tun (Beispiele im TEMA-Handzettel)
Es genügt aber nicht, die Schrift zu erkennen, man muß sich auch auf fremde Sprachen einstellen. Nicht nur, wie bei Schwerpunkt in jüngerer Geschichte, moderne Fremdsprachen wie Englisch, Französisch, Spanisch usw., die einem oft noch aus der Schule geläufig sind. Wer mittelalterliche und frühneuzeitliche Geschichte erforscht, wird zudem noch Lateinkenntnisse brauchen, denn oft sind die einzigen Schriftquellen dieser Zeit in der Amtssprache der katholischen Kirche verfaßt. Wer (anders als der Verfasser) zeitlich noch darüber hinausgeht und sich auf die Geschichte des klassischen Altertums spezialisiert, wird außerdem Griechisch und möglicherweise noch eine Reihe regional benachbarter Altsprachen benötigen.
Wenn man thematisch näher an Oldenburg bleibt, begegnen einem in norddeutschen Quellen Vorläufer der modernen niederdeutschen Sprache, dem Plattdeutschen, nämlich Mittel- und Altniederdeutsch (während in Süddeutschland die entsprechenden Vorformen des Hochdeutschen gesprochen wurden). Letzteres ist für Oldenburger Geschichte weniger relevant, weil erstens in der hiesigen Region überhaupt nur wenig Quellen aus der Zeit ca. vor 1000 n. Chr. überliefert sind, zweitens sich das Oldenburger Land erst nach dieser Zeitgrenze im Hochmittelalter gebildet hatte, als hier bereits Mittelniederdeutsch gesprochen und allmählich neben Latein auch geschrieben wurde. (Einen Überblick zur deutschen Sprachentwicklung bieten Autor Werner König und Graphiker Hans-Joachim Paul: dtv-Atlas Deutsche Sprache, Mit 155 Abbildungsseiten in Farbe, ständige Neuauflagen, ISBN 3-423-03025-9).

Die Loyer Urkunde

In Mittelniederdeutsch verfaßt ist auch unsere Beispielurkunde, möglicherweise schon in Übergängen zum Neuniederdeutsch. – Auf die genaue Form achten vor allem Sprachwissenschaftler, während sich Historiker beruflich bedingt mehr für die Inhalte interessieren und i.d.R. mit einer sorgfältigen Übersetzung zufrieden sind, die sie allerdings in den meisten Fällen selbst vornehmen müssen. Das Anfang des 20. Jahrhunderts zusammengestellte Oldenburgische Urkundenbuch (in acht Bänden) ist eine Sammlung vieler aber eben nicht aller Urkunden des Oldenburger Raumes, wobei die enthaltenen leider auch nicht immer vollständig erfaßt wurden, und was enthalten ist, steht zwar in gut lesbarer moderner Druckschrift da, doch (überwiegend) noch immer in der Originalsprache, eben in Latein oder Mittelniederdeutsch.
Die hier behandelte Urkunde ist dort nicht abgedruckt. Sie liegt dem Verfasser und nun auch den Lesern (s.u.) dennoch gedruckt vor, weil die Abschrift über eine TEMA-Kundin bezogen wurde, die sie im Rahmen ihrer Ahnenforschung von einem entfernten Verwandten bekommen hatte. Was im Original gewiß eine großformatige Pergamenturkunde mit wohl noch daranhängenden Siegeln ist, erhielt der Verfasser per E-Mail!
Das hätten sich die mittelalterlichen Urkundenaussteller auch nicht träumen lassen, die nicht nur keine Personalcomputer gekannt haben (wie wir selbst vor zweieinhalb Jahrzehnten noch nicht), sondern natürlich nicht einmal Strom, geschweige denn Digitalisierungsmechanismen. Dafür waren sie ganz in ihrer Welt zu Hause, die wir wiederum nicht genau kennen aber liebend gerne besser kennen würden.
Die Loyer Urkunde in der unten aufgeführten Form ist durch die Hände vieler Kopisten gegangen, d.h. sie ist mehrfach abgeschrieben worden. Das erste Mal eventuell noch im Mittelalter, dann im 19. Jahrhundert für den Inhaber von Gut Loy, später für einen Verwandten der Auftraggeberin, wiederum von ihr für den Verfasser, und möglicherweise zwischendurch noch weitere Male. Der genaue Weg des Urkundentextes läßt sich ohne nähere Forschungen nicht überblicken. Es wäre grundsätzlich besser, vom Original oder der ältesten bekannten Abschrift zu übersetzen, was sich hier aber nicht bewerkstelligen ließ. Für den reinen Informationszweck muß das nicht sonderlich tragisch sein, solange man sich immer bewußt ist, daß sich beim vielen Abschreiben Fehler eingeschlichen haben können und hier auch tatsächlich haben, die aber dank einiger Urkundenerfahrung wohl hinlänglich erkannt und verbessert werden konnten.

Mit bloßem Übersetzen wäre es bei näherer wissenschaftlicher Beschäftigung freilich nicht getan. So etwas ist immer nur nur die Vorarbeit, zu der in vielen Fällen auch gehören wird, den Urkundentext noch näher auszuwerten, z.B. relevante Inhalte in eigens dafür anzufertigende Zusammenfassungen (Regesten), in Tabellen, Graphiken oder gar Karten aufzunehmen, um die Aussagen besser zu erfassen, bevor man sich an eine schriftliche Interpretation macht. Um eine übersetzte Urkunde in ihrer historischen Wirkung einschätzen zu können, um also aus dem Einzelfall umfassendere Aussagen zu gewinnen, wäre es wichtig, sich die näheren Umstände klarmachen zu können, in der sie entstand, sowie allgemeine zeitgeschichtliche Hintergründe einzubeziehen.
Eine derart aufwendige Arbeit ist bei Übersetzungen von Familienunterlagen für reine Privatzwecke in der Regel aber unnötig, wäre auch nur bis zum Punkt 3 "Erweiterte Auswertung" möglicher Teil eines TEMA-Vertrages mit dem Verfasser (vgl. Preisstaffel des Handzettels). Die Kunden könnten damit zwar bis hin zu wissenschaftlichen Vorarbeiten unterstützt werden, regelrechtes Ghostwriting ist allerdings nicht vorgesehen. Das untenstehende Übersetzungsbeispiel ist in der erhöhten Intensitätsstufe der "aufwendigen Detailübersetzungen" verfaßt. Bei einfachen "reinen Textübersetzungen" wird auf den wissenschaftlichen Erläuterungsapparat der eckigen Klammern und Fußnoten verzichtet, der aber auch bei Übersetzungen der gehobenen Klasse nur zur Anwendung kommt, wenn dies aus fachlichen Gründen geboten erscheint.

Mit den geschichtlichen Inhalten der Urkunde ließe sich noch näher beschäftigen, doch wir wollen dieses kleine historische Seminar nicht zu weit ausdehnen. Die fachlichen Anmerkungen in den Fußnoten dürften wohl genügen. Nur eines noch: Die mittelalterliche Urkunde berichtet von einem gängigen Hofverkauf in der üblichen Weise, Inhalt und Wortwahl bis hin zur Reihenfolge der Inhalte sind also keine besondere Ausnahme, wenn man von den individuell Beteiligten absieht, die sicher nicht jeden Tag einen Hof ver- bzw. gekauft hatten.
Der hier behandelte Adelssitz in Loy - nicht mit dem dortigen Gutshof zu verwechseln -, der im 17. Jahrhundert nur die Ausmaße eines durchschnittlichen Bauernhofes gehabt hat und im Mittelalter bestimmt nicht größer war, ist (gemäß Auskunft des Herrn Funch zu Loy an Frau Harich-Golzwarden) im Zuge des Autobahnbaus nördlich von Oldenburg Ende der 1970er, Anfang der 80er Jahre abgebrochen worden. Das einzige, was von ihm bleibt, ist seine historische Überlieferung, zu deren ältesten Teilen der hiesige Urkundentext gehört.

Martin Teller, 1.4.2006

 

Vorliegende Abschrift des mittelniederdeutschen Urkundenoriginals – eine Verkaufsurkunde –
vom 17. April 1492.

Nach einer Abschrift im Besitz des Hrn. Geh. Ökonomierat Funch-Loy

(s. auch Groß H.[erzogliches] C.[entral] Archiv, Oldenburg [heute Staatsarchiv Oldenburg], Aa. Kammerreg. II.V.-10-B.ad faso 2)

Übersetzung durch Martin Teller M.A., Historiker, Oldenburg i.O.,
 

für Frau Annemarie Harich-Golzwarden in Brake, 24.3.2006

Ergänzungen des Übersetzers in eckigen Klammern und in Fußnoten.

Steven von Reken verkauft an Garlich v. Essen sein Erbe und Gut zu Loy belegen, das in „vortiden Eilerd tho Loye plach to thelen u.[nde] buwen“
 

Steven von Reken verkauft an Garlich v. Essen sein Erbe und Gut zu Loy belegen, das zu Vorzeiten Eilert zur Loy pflegte zu bewirtschaften und [mit Feldfrüchten zu] bebauen.

Ick Steven von Reeken, Knape, vor1 Küneken, mine echte Frowe, bekennen und betügen in und vor midt diesen openen besegelden breve, vor alss veme2, dat wy endrachtigen midt wolberadenen mode3, guden Willen und gantzer vulborde unser rechten [erven 4], und alle der genen, de von rechte ehren vulborde dartho geven scholenn,
 

Ich, Stefan von Reken, Knappe, für1 [lies: sowie] Könneke, meine eheliche Frau, bekennen und bezeugen in diesem und durch diesen offenen besiegelten [Urkunden]Brief, nämlich2, daß wir einträchtig, wohlüberlegt3, mit gutem Willen und ganzer Zustimmung unserer rechten [Erben4], und aller derjenigen, die rechtmäßig ihre Zustimmung dazu geben sollen,  

hebben verkofft und verkopen jegenwerdigen und laten in de ver [segel betugen5], in düssen breve tho enen steden fasten ewigen erffkope, den fromen Knapen6 Garlige von Essen und vor Greten siner echten frowen, erven, ervnemen und den holder düsses breves7 mitt ehren willen 
 

haben verkauft und verkaufen gegenwärtig und lassen in den vier [Siegeln bezeugen5], in diesem Briefe zu einem steten festen ewigen Erbkaufe, den frommen / tüchtigen / rechtschaffenen Knappen6 Garlich von Essen und Grete [Margarete, s.u.], seiner ehelich angetrauten Frau, Erben, Erbnehmern und dem Halter dieses Briefes7 mit ihrem Willen

en unsse erve und gut tho Loye belegen, dat in vortiden Eilerd tho Loye plach to thelen und buwen, alse dat sülve erve und guth mit aller tho behörigen olden rechtlich8,  alss dat mit ackern me buwet9, moor, wische, holte, heide, weide und water10,  alle thobehörige und gantze schlechtent11 und upkoment grotes und klenes12,  belegen und begropen is,
 

in unser Erbe und Gut zu Loy belegen, das zu Vorzeiten Eilert zur Loy pflegte zu bewirtschaften und [mit Feldfrüchten zu] bebauen, als das selbe Erbe und Gut mit allen zugehörigen alten Rechten8, als da sind: mit bebauten Äckern9, Moor, Wiesen, Gehölz, Heideland, Weide und Gewässern10, alles Zubehör und alle Nutzungsrechte11 und aufwachsendes Großes und Kleines12, belegen und begriffen ist,

vor hundert emkende [?13] goldene rinsche gulden14,  gut von golde, recht von münte, welche summen geldes uns tho willen, deger, all und voll betahlet sint, und de [wy] vort in unsse nütte gekeret hebben,

für hundert (echte?) goldene rheinische Gulden14, von rechtem Goldgehalt und Gewicht, welche Geldsumme uns zu Willen, gänzlich, gesamt und voll bezahlt ist, und die [wir] zu unsrem Nutzen verwendet haben;

densulven Gerlig und Margreten er benömt15 und ere erven, und düsses breves holder ehn dat sülve vorgenante erve und guth tho Loye in ehne bruklicke hebbende weer gelaten tho ewigen tiden, gelick alss man erve güder in ewige veste besittinge laten plegt, dermede tho donde und to laten, tho laten und tho donde mit aller rechtigkeit wat und war so willen, sunder unsen ovelen moedt hinder efte wedderspracke unser erven efte jemand von unsem wegen, geistlich efte weltliche.

[wir haben] denselben vorgenannten15 Garlich und Margarete und ihre Erben bzw. den Halter dieses Briefes dasselbe vorgenannte Erbe und Gut zu Loy zum Gebrauch überlassen zu ewigen Zeiten,  genau wie man Erbgüter in ewigen festen Besitz zu überlassen pflegt, damit zu tun und zu lassen, zu lassen und zu tun mit allem Recht, was und wie sie wollen, ohne unseren Unwillen, Hinderung oder Widersprache [, ohne die] unserer Erben oder jemandes in unserem Namen, [sei er] geistlichen oder weltlichen [Standes].

Ock laven wy Steven, Knape und vor Köneken med samender handt in guden truwen, vor uns und unssen erven vor baren und avebaren, de nu sind, und na vorden mögen, und lawen in düssen breve, Gerlig und Margreten ehren erven und den Holder düsses breves, dat wy scholen und willen an dessülven erves und gudes tho Loye mitt aller thobehörige rechte veste und vullenkommende varende willen wessen und warschop doen, vor alle rechte, bisprake sunder weddersprake, waer wanner und vo vacken16 en des nott und behoff is und dat von uns eschen edder eschenholtet, dat wy so allen laven vor uns und unsen erven
 

Auch geloben wir, Stefan, Knappe, und Könnecke, mit gesamter Hand gutgetreu, für uns und unsere vorgeborenen und nachgeborenen Erben, die nun sind, und [die noch] nachfolgen mögen, und geloben in diesem Briefe, Garlich und Margarete, ihren Erben bzw. dem Halter dieses Briefes, daß wir sollen und wollen – bezüglich desselben Erbes und Gutes zu Loy mit allem Zubehör – rechten, beständigen und vollkommenen wahrhaftigen Willen bezeigen und Wahrheit [kund]tun, für alle Rechte [der Käufer], Ratschlag ohne Gegenrede [geben], falls es zukünftig und wo immer16 Not und Behuf ist und [sie] das von uns fordern oder fordern lassen, daß wir so alles geloben für uns und unsere Erben

und willkoren in düssen breve in seckern, guden truwen, alle vorgenante stücke stede und vaste to holden, unverbracken und tegen düssen breff noch inholde tho sprockende, noch to donde, noch mit geistlichen edder weltlichen rechte edder rechten sünder alle argelist, [a]ngefünds, hülprede und alle schedlicheit desses alles uthgenamen.17
 

und bestimmen in diesem Briefe in sicherer, guter Treue, alle vorgenannten Bestandteile stets und fest zu halten, ungebrochen und gegen diesen Brief weder Einhalt zu sprechen, noch zu tun, noch mit geistlichem oder weltlichem Rechte oder Rechten ohne alle Arglist, Dazudichtung, Ausflucht und alle Schändlichkeit – dieses alles ausgenommen.17

Düsses alles in orkunde der warheit unnd merer betüchnisse, so hebbe ick Steven, Knape erbmenne, min rechte insegell vor mi, vor könneken mine frowe und unsse erven, de sint geboren und noch worden mögen, wittliken und eindrechtigen tho düssen breve hangen, und vort gebeden  de düchtigen Knapen mit uns düssen breff to versegeln alss Frederick von Recken, min broder, Erttmann Meinstorff, droste18 tho Oldenborg und der herschup, und Gerd van Schagen
 

Dieses alles zur Beurkundung der Wahrheit und weiterer Bezeugungen, so habe ich Stefan, Knappe, Erbe [des verkauften Gutes], mein rechtmäßiges Siegel für mich, für Könneke meine Frau und unsere Erben, die geboren sind und [die] noch folgen mögen, wissentlich und einträchtig zu diesem Briefe gehängt, und außerdem die tüchtigen Knappen gebeten, mit uns diesen Brief zu besiegeln, als da sind: Friedrich von Reken, mein Bruder, Erdmann Meinsdorf, Drost18 zu Oldenburg und der [gräflichen] Herrschaft, und Gerd von Schagen,

und went uns erbenomten Knapen alle desser vorgeschreven mede wittlich und bekend iss, so hebben wy umb bede willen beidersicht unse rechte ingesegele mede by Stevens saecke wolden ingesegeln in eine tüchnisse tho mehrer bewisinge dusser Orkunde sambtlicken und wittlicken laten hangen an dessen breve.
 

und weil uns vorgenannten Knappen all das zuvor Geschriebene zugleich wissentlich und bekannt ist, so haben wir der Bitte wegen unsererseits unsere rechtmäßigen Siegel mit bei Stefans Parteigänger-Siegeln – als ein Zeugnis von größerer Beweiskraft dieser Urkunde – sämtlich und wissentlich hängen lassen an diesem Briefe.

Datum Anno Domini dusent veerhundert am twe und negentigsten Jahre am Dingstage in der stillen weeken vor Paschen.

L S.           L S.           L S.           L S.19
 

Gegeben im Jahre des Herrn Tausendvierhundert am zweiundneunzigsten Jahre am Dienstage in der stillen Woche vor Ostern.

Siegel       Siegel       Siegel       Siegel19
 

20 Dass diese gegenwärtige Copey mit ihren rechten versiegelten Original  so viel man den buchstabt nach auss dem alten Original da von man lesen konnen, übereinkommet, und collationieret sey, bezeuge ich Anton Günther Kirchhoff, Kaiserl. geschworen Notarius21  mpp.22
 

[Frühneuzeitliches Notartestat20:] Daß diese vorliegende Kopie mit ihrem rechtmäßig besiegelten Original, soweit man den Buchstaben nach aus dem alten Original, von dem ich diesen Text übertragen konnte, übereinstimmt und zusammengetragen sei, bezeuge ich, Anton Günther Kirchhoff, Kaiserlicher geschworener Notar21 m.p.(p.)22

Anmerkungen des Bearbeiters:

Laut Daten von Vergleichsurkunden aus dem Oldenburgischen Urkundenbuch (siehe dortige Register) war Steven von Reken, Lehnsmann des Kloster von Rastede, am 24.8.1511 noch am Leben, am 11.3.1519 verstorben.

Gemäß Martin Last: Adel und Graf in Oldenburg während des Mittelalters, Oldenburg 1969, S. 141-142, geriet der von-Essen-Hof im 17. Jahrhundert in Konkurs, kam danach zunächst an die Grafen, dann in bürgerliche Hände. 1648 war das Wohnhaus 7 Fach lang (ca. 18 m), eine Scheune 4 Fach, ein alter Kornspeicher 2 Fach. Daneben gab es noch ein kleines Haus von 3 Fach, eine Altenteilwohnung.

Synoptischer Vergleich: Im selben Jahr der Urkundenausstellung, sechs Monate später am 14.10.1492, hat Christoph Columbus Amerika entdeckt.


1 „Für“, d.h. „in Einverständnis mit“, aber auch „in rechtlicher Vertretung für“, kaum im Sinne von „vor Augen, in Gegenwart“. Bei Übersetzungen kann dieses „von“ in vielen Fällen einfach ausgelassen werden; so im nächsten Absatz geschehen.
2 Im originalen Urkundentext vmtl. „als deme“, denn veme müßte mit „Strafe“ übersetzt werden, wofür hier aber kein Anlaß zu erkennen ist.
3 Wörtlich: „mit wohlberatenem Gemüte“. Heinrich Munderloh, der den Urkundeninhalt zusammengefaßt wiedergibt,  übersetzt im mir (ohne Seitenzahl) vorliegenden Ausschnitt aus „Die Bauerschaft Loy und ihre Adelssitze“ falsch mit „Mut“ im Sinne von „Wagemut, mutig“.
4 Vermutlich ist hier das Wort „Erben“ ausgelassen (entweder durch den frühneuzeitlichen Notar oder eher durch den modernen Kopisten) – so nämlich in etlichen anderen Verkaufsurkunden. Die rechtmäßigen Erben mußten ihre Zustimmung zum Verkauf geben, damit er wirksam werden konnte. Güterbesitz wurde nicht wie heute als persönlich-individueller aufgefaßt, sondern als Gemeinschaftseigentum einer Familie, das nur zeitweilig von einem bestimmten Familienoberhaupt verwaltet wurde, bis es durch Erbschaft in jüngere Hände überging. Ohne das Wort Erben hieße die Textstelle sonst: „mit ganzer Zustimmung unserer (eigenen) Rechte“, was inhaltlich nichts ändern würde.
5
Die dem Brief anhängen – so oder ähnlich eine weitere mutmaßliche Auslassung. Worauf sollte sich sonst das Wort „vier“ beziehen, wenn nicht auf die vier bezeugenden Siegel, die am Ende der Abschrift durch „L.S.“ kenntlich gemacht sind? Damals wurden solche Urkunden noch nicht eigenhändig unterschrieben (da auch viele Adelige gar nicht schreiben konnten), sondern per Siegel bestätigt.
6 Munderloh (s. Fußnote 3) behauptet, daß alle Beteiligten Knappen heißen, weil die Bezeichnung Ritter seit über 100 Jahren „nicht mehr Mode“ gewesen sei. Eine solche Begründung geht an den historischen Gegebenheiten völlig vorbei. Volljährige Angehörige adeliger Familien dürften sich im Spätmittelalter erst dann Ritter nennen, nachdem sie den Ritterschlag erhalten hatten. Voraussetzung dafür war aber offenbar eine gewisse Höhe an materieller Absicherung, welche die altoldenburger Adelsfamilien nach etwa 1350 aus verschiedenen Gründen nicht mehr erreichen konnten. Sie sanken also vom Ritter- in den Knappenstand ab bzw. verharrten auf letztgenannter Stufe und konnten nicht mehr höher aufsteigen, falls ihre Familien bis zur frühen Neuzeit aus finanzieller Not nicht gänzlich in den Bauernstand abstiegen. 
7 Falls die Käufer das Gut irgendwann weiterverkaufen sollten, galt den neuen Inhabern das Eigentum an dieser Urkunde auch als Eigentumsnachweis für das Gut. Auf diese Weise brauchte praktischerweise keine neue Urkunde ausgestellt zu werden, was in ähnlichen Fällen manchmal trotzdem geschah.
8 Also ohne Abzug irgendwelcher Landstücke (mit Gebäuden) oder Rechte, die im folgenden summarisch aufgezählt werden.
9 Im Original vmtl. „ane buwet“ und vom Kopisten falsch gelesen. „Bebaute Äcker“ werden sicherlich das Saatkorn bzw. die aufwachsende Frucht enthalten haben und waren dann nicht als brachliegendes Ackerland zu verstehen.
10 Mit den letzteren beiden waren womöglich nur Rechte daran gemeint, da das Weidevieh noch auf Gemeinschaftsweiden getrieben wurde, die i.d.R. eine Tränkegelegenheit besaßen.
11 Eigentlich „slachter-nut“, verderbt oder falsch gelesen für „Ausschlachtung“ = Nutzung jeder Art.
12 Alle aufwachsenden Tiere und Pflanzen.
13 Dieses Wort muß verderbt sein, steht vielleicht für „echte“.
14 Das ist keine Tautologie, denn im Spätmittelalter und zu Beginn der Frühneuzeit wurden auch Silbergulden im Wert der goldenen Münze geprägt.
15 Wohl wieder falsch übertragen, hier steht im Original sicher „vorbenömt“ = vorgenannt.
16 Richtig übertragen? Vmtl. sinngemäß als „wo immer“ zu verstehen.
17 Munderloh hat diese Bestimmungen zu Recht als „sehr umständliche juristische Zusicherungen“ bezeichnet. Mit der Nennung von „Unterschriften und Siegel“ im folgenden Absatz irrte er aber wieder: Wie in Fußnote 5 erwähnt, haben die Aussteller ihre Urkunde nach der Besiegelung nicht noch zusätzlich unterschrieben.
18 Der „Verwaltungschef“ eines größeren Amtsbezirks innerhalb der Grafschaft Oldenburg.
19 Locus Sigilli = Ort des Siegels, vierfach, nämlich die Siegel von Stefan v. Reken, seinem Bruder Friedrich, dem Drosten Erdmann Meinsdorf und Gerd von Schagen, möglicherweise in dieser Reihenfolge.
20 Diese Kopie ist in die späte Regierungszeit des Oldenburger Grafen Anton Günther oder die frühe nachfolgende Dänenzeit zu datieren (die Jahrzehnte um 1667), denn zusätzlich zum Indiz des deutlich frühneuzeitlichen Sprachgebrauchs im letzten Absatzes trägt der Notar den gräflichen Vornamen. Es geschah oft, daß Untertanten ihre Kinder nach dem regierenden Landesherren oder Mitgliedern seines Hauses benannt haben.
21 Ein öffentlich bestellter Urkundenschreiber, „Notariatsinstrument“.
22 Manu propria = von eigener Hand; das Kürzel hier wohl als Ersatz für eine zusätzliche eigene Unterschrift der Notars.

 


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